Entscheidungsstichwort (Thema)
Widerruf, Testament, Wirksamkeit, Form, Unterschrift, Zulassung, Festsetzung, Beschwerdeverfahren, Rechtsbeschwerde, Nichtabhilfebeschluss, Abschrift, Nachlasswert, Anforderungen, Voraussetzungen, Vermeidung von Wiederholungen, Zulassung der Rechtsbeschwerde
Verfahrensgang
AG München (Beschluss vom 10.09.2021; Aktenzeichen 602 VI 3093/21) |
Tenor
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Amtsgerichts München - Nachlassgericht - vom 10.09.2021 wird zurückgewiesen.
2. Der Beteiligte zu 2 hat die dem Beteiligten zu 1 im Beschwerdeverfahren entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
3. Die Festsetzung des Geschäftswertes für das Beschwerdeverfahren bleibt vorbehalten.
Gründe
I. Die zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss des Nachlassgerichts hat in der Sache keinen Erfolg. Zutreffend ist das Nachlassgericht davon ausgegangen, dass die zur Begründung des Antrags des Beteiligten zu 1 auf Erteilung eines Erbscheins erforderlichen Gründe für festgestellt zu erachten sind, da das handschriftliche Testament vom 26.10.2018 wirksam ist.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird zunächst auf die ausführliche Begründung des angefochtenen Beschlusses vom 10.09.2021 und die weiteren Ausführungen im Nichtabhilfebeschluss vom 06.12.2021 Bezug genommen. Diesen schließt sich der Senat vollumfänglich an. Ergänzend ist unter Berücksichtigung des Beschwerdevorbringens auf Folgendes hinzuweisen:
1. Dass das handschriftliche Testament vom 26.10.2018 zunächst wirksam errichtet wurde, was gemäß § 2258 Abs. 1 BGB zur Folge hatte, dass das notarielle Testament vom 19.10.2017 wirksam widerrufen wurde, wird grundsätzlich von keinem Beteiligten angezweifelt. Auch der Senat hat keinen Anlass, von der Unwirksamkeit dieses späteren handschriftlichen Testaments auszugehen.
2. Auch die nachträgliche Unterschrift vom 09.05.2019 unter der beglaubigten Abschrift des - wirksam widerrufen - notariellen Testaments berührt die Wirksamkeit des handschriftlichen Testaments nicht.
a) Dabei kann dahinstehen, ob in materieller Hinsicht durch die neuerliche Unterschrift auf der Abschrift abermals ein späteres Testament errichtet werden sollte, durch das das handschriftliche Testament aufgehoben wird (§ 2258 Abs. 1 BGB) oder ob hierdurch nur der Widerruf des späteren handschriftlichen Testaments erklärt werden und das ursprüngliche notarielle Testament wieder seine Wirksamkeit entfalten sollte (§ 2258 Abs. 2 BGB). Insbesondere kann offen bleiben, ob allein diese Unterschriftsleistung ohne weitere Zusätze oder Erklärungen den notwendigen Testierwillen für ein neues Testament bzw. jedenfalls den notwendigen Erklärungswillen für den Widerruf des späteren Testaments beinhalten kann.
b) Ungeachtet der vorhandenen Auslegungsmöglichkeiten scheitern sämtliche in Betracht kommenden Varianten nämlich bereits daran, dass die gesetzliche vorgeschriebene Form nicht eingehalten ist.
aa) Dies gilt zunächst für die Möglichkeit der Errichtung eines weiteren Testaments i.S.d. § 2258 Abs. 1 BGB. Insofern kann nur ein wirksames späteres Testament, bei dem sämtliche gesetzlichen Anforderungen an die Errichtung erfüllt sind, ein früheres Testament aufheben (vgl. BeckOGK/Grziwotz ≪01.01.2021≫ BGB § 2258 Rn. 4). Die erneute Unterschrift unter der beglaubigten Abschrift des - wirksam widerrufen - notariellen Testaments stellt aber weder ein formwirksames öffentliches Testament i.S.d. § 2232 BGB noch ein formwirksames eigenhändiges Testament i.S.d. § 2247 BGB dar. Allein die eigenhändige Unterschrift unter einer von einem Notar errichteten Urkunde genügt den Anforderungen des § 2247 BGB nicht. Vielmehr muss das Testament insgesamt eigenhändig verfasst sein (vgl. Lauck in: Burandt/Rojahn, 3. Aufl. ≪2019≫ BGB § 2247 Rn. 23). Etwas anderes mag gelten, wenn ein widerrufenes handschriftliches Testament erneut unterzeichnet wird (vgl. Lauck in: Burandt/Rojahn, a.a.O., § 2257 Rn. 2; BayObLG, Beschluss vom 05.06.1992 - 1Z BR 21/92, NJW-RR 1992, 1225) oder wenn das notarielle Testament auf der Grundlage einer von der Erblasserin übergebenen Schrift errichtet worden ist und diese sodann erneut unterzeichnet wird (vgl. Lauck in: Burandt/Rojahn, a.a.O., § 2247 Rn. 24). Beides ist vorliegend aber nicht der Fall. Es liegt allein eine durch den Notar errichtete Urkunde vor, deren Abschrift nunmehr von der Erblasserin erneut lediglich mit einem Datum versehen und unterschrieben wurde. Dies genügt den Anforderungen des § 2247 BGB nicht. Nachdem auch keine erneute Beurkundung durch einen Notar stattgefunden hat, scheidet auch die Errichtung eines neuen öffentlichen Testaments nach § 2232 BGB aus.
bb) Aber auch der bloße Widerruf des späteren Testaments muss in einer gesetzlich zulässigen Form erfolgen (vgl. BeckOGK/Grziwotz, a.a.O., § 2258 Rn. 18; Firsching/Graf/Krätzschel, 11. Aufl. ≪2019≫ § 14 Rn. 1). Nachdem das spätere Testament nicht vernichtet oder verändert wurde, sondern der Widerruf durch die erneute Unterschrif...