Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung. Eignung. Ermessen. Erledigung. eine Angelegenheit. Pauschbetrag. Festsetzung. Rechtsmittel. Pauschvergütung. Strafverfahren. Wahlverteidigerhöchstgebühr
Normenkette
BRAGO § 134 Abs. 1; RVG §§ 51, 61 Abs. 1, § 60 Abs. 1
Tenor
I.
Dem gerichtlich bestellten Nebenklägervertreter Rechtsanwalt Dr. Me. Da. wird für den Verfahrensabschnitt Verfahren erster Instanz vor dem 6. Strafsenat des Oberlandesgerichts München anstelle der Grundgebühr (Nr. 4100 VV RVG), der Verfahrensgebühr (Nr. 4104 VV RVG), der Hauptverfahrensgebühr (Nr. 4118 VV RVG) und der Terminsgebühren nach der Nr. 4120 RVG eine Pauschgebühr von insgesamt 256.160,00 € bewilligt.
II.
Die für diesen Zeitraum bereits festgesetzten und ausbezahlten gesetzlichen Gebühren für die genannten Gebührenpositionen sowie ausbezahlte Vorschüsse auf die Pauschgebühren sind auf die Pauschvergütung anzurechnen.
Gründe
I.
Der Antragsteller ist gerichtlich beigeordneter Nebenklägervertreter der Nebenkläger Di. Öz., Ri. Öz., Ba. Öz., Gü. Tu., Fa. Ca. und Ha. At. Vom Ermittlungsrichter des Bundesgerichtshofs wurde er zunächst zwei Nebenklägerinnen mit Beschlüssen vom 29. Februar und 2. März 2012 zum Beistand bestellt. Mit Senatsbeschlüssen zwischen dem 7. Januar 2013 und dem 30. Juli 2015 erfolgte jeweils die Zulassung der Nebenklagen und die Beiordnung des Antragstellers als Nebenklägervertreter.
Mit Schriftsatz vom 11. Februar 2019 beantragte er die Festsetzung einer Pauschvergütung für das Verfahren 1. Instanz. Dieser Verfahrensabschnitt wurde nach 438 Hauptverhandlungstagen seit dem 6. Mai 2013 am 11. Juli 2018 mit einem verurteilenden Erkenntnis beendet. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Die Vertreterin der Staatskasse äußerte sich mit Stellungnahmen vom 19. Februar und vom 18. März 2019.
Der Antragsteller äußerte sich schriftsätzlich weiter am 3. März, 22. März und am 7. April 2019
Hinsichtlich der Verfahrensgangs und des tatsächlichen und rechtlichen Vortrags der Beteiligten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Dem Antragsteller war für den im Tenor genannten Verfahrensabschnitt mit den dort aufgeführten Gebührenpositionen eine Pauschgebühr von insgesamt 256.160,00 € zuzusprechen.
1. Eine Pauschvergütung ist auf Antrag zu gewähren, wenn die in den Teilen 4 bis 8 des Vergütungsverzeichnisses bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit des Verfahrens nicht zumutbar sind (§ 51 Abs. 1 Satz 1 RVG).
a. Das vorliegende Verfahren zeichnet sich sowohl durch einen besonderen Umfang, als auch durch besondere Schwierigkeit aus.
aa. Bis zur Anklageerhebung waren bereits mehr als 580 Sachaktenbände angefallen. Hinzu kommen zahlreiche Bei- bzw. Altakten, die ihrerseits z.T. erheblichen Umfang aufweisen. Bis zum Urteil am 11. Juli 2018 hat sich der Aktenbestand auf 672 Aktenordner erweitert. Diese Materialfülle schlug sich auch in einer Zahl von 438 Hauptverhandlungstagen nieder, die in einem Zeitraum von 5 Jahren, 2 Monaten und 5 Tagen stattfanden. Es lag damit ein besonders umfangreiches Verfahren vor.
bb. Das Verfahren war auch besonders schwierig, weil es eine Vielzahl von schweren Delikten umfasste, die teils viele Jahre zurücklagen und in ihrer Gesamtheit - mit einer Vielzahl von Nebenaspekten, sachlichen und persönlichen Verbindungen - zu erfassen und zu würdigen waren, um die Art und den Umfang der Vereinigung "NSU" aufzuklären. Die Einbindung der Angeklagten in das Gesamtgeschehen wiederum konnte in weiten Teilen nur über Indizienbeweise abgeklärt werden, was dazu führte, dass im Verfahren mehr als 590 Zeugen und Sachverständige - teils mehrmals - vernommen werden mussten. Diese besondere Schwierigkeit betraf insbesondere auch die Nebenklage, weil die Einbindung jener Angeklagter, denen Nebenklagedelikte zur Last lagen in das Tatgeschehen es erforderte, den gesamten Prozessstoff einschließlich der personellen und sachlichen Verflechtungen einer Vielzahl von Personen zu erfassen.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschvergütung liegen damit vor.
b. Der Einzelrichter setzt die Pauschvergütung für den im Tenor beschriebenen Verfahrensabschnitt fest. Grundsätzlich wird beim Oberlandesgericht München der endgültige Verfahrensabschluss abgewartet. Im vorliegenden Fall ist jedoch zu berücksichtigen, dass eine außergewöhnlich lange Verfahrensdauer gegeben ist. Obwohl sich die Eignung des Verfahrens für die Bewilligung von Pauschvergütungen bereits bei seinem Beginn abzeichnete, warten viele Verfahrensbeteiligte bereits seit 6 Jahren, teils auch länger, auf die Anhebung der gesetzlichen Gebühren. Der endgültige Verfahrensabschluss ist weiter offen. Überdies haben die Nebenkläger entweder rechtlich nicht die Möglichkeit in Rechtsmittel zu gehen oder haben dies nicht getan, so dass auch insoweit von dieser Seite keine wesentlichen Verfahrenshandlungen mehr zu erwarten sind. Im Falle einer Aufhebung des Urteils und einer Zurückverweisung der Sache aufgrund der Revisionen der Angeklagten und de...