Entscheidungsstichwort (Thema)

Berufung, Fahrzeug, Rechtsanwaltskosten, Feststellung, Verfahren, Vorabentscheidung, Darlegungslast, Erstattung, Gutachten, Beweislast, Anspruch, Herausgabe, form, Kenntnis, Zug um Zug, Fortbildung des Rechts, Aussicht auf Erfolg

 

Verfahrensgang

LG Memmingen (Urteil vom 21.04.2022; Aktenzeichen 24 O 1938/21)

 

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Memmingen vom 21.04.2022, Az. 24 O 1938/21, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat.

Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.

 

Gründe

I. Der Kläger erwarb laut Rechnung vom 25.09.2018 bei der einen Gebrauchtwagen Opel Insignia ST mit einer Laufleistung von 24.884 km, Erstzulassung: 20.03.2017, zum Kaufpreis von 16.725 EUR. In dem Fahrzeug ist ein von der Beklagten hergestellter Dieselmotor der Abgasnorm Euro 6 verbaut. Das Fahrzeug hatte am 31.03.2022 eine Laufleistung von 69.307 km.

Der Kläger hat im Verfahren vor dem Landgericht Memmingen geltend gemacht, das Fahrzeug sei mit unzulässigen Abschalteinrichtungen versehen. Das Landgericht hat die auf Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, Feststellung des Annahmeverzugs und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen. Mit seiner form- und fristgerecht eingelegten Berufung verfolgt der Kläger seine Anträge aus dem erstinstanzlichen Verfahren weiter.

II. Der Senat ist einstimmig der Auffassung, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordern. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.

Zu Recht hat das Landgericht Memmingen Schadensersatzansprüche abgewiesen. Solche ergeben sich aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 263 StGB, §§ 823 Abs. 2, 31 BGB i.V.m. §§ 6, 27 EG-FGV, §§ 826, 31 BGB, § 831 BGB nicht.

1. Ein Anspruch des Klägers aus § 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) besteht nicht.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Beschlüsse vom 19.01.2021 - VI ZR 433/19 - juris Rn. 13 bis 19, vom 09.03.2021 - VI ZR 889/20 - juris Rn. 27 f. und vom 29.09.2021 - VII ZR 126/21, BeckRS 2021 33038 Rn. 18 sowie Urteile vom 13.07.2021 - VI ZR 128/20 - juris Rn. 10 ff. und vom 16.09.2021 - VII ZR 190/20, VII ZR 286/20, VII ZR 321/20 und VII ZR 322/20) wäre Voraussetzung für einen Anspruch des Klägers aus § 826 BGB, dass die Beklagte in Fahrzeugen des vom Kläger erworbenen Typs eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut und diesen Umstand dem KBA als für die Typgenehmigung zuständiger Behörde verschwiegen hat, um sich die begehrte Typgenehmigung zu erschleichen. Selbst wenn die Beklagte also in den Motor des streitgegenständlichen Fahrzeugs eine nach Art. 3 Nr. 10, Art. 5 Abs. 2 VO (EG) 715/2007 unzulässige Abschalteinrichtung eingebaut haben sollte, genügte dies nicht dafür, dass die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 826 BGB bestehen. Das Verhalten der für einen Kraftfahrzeughersteller handelnden Personen ist nicht bereits deshalb als sittenwidrig zu qualifizieren, weil sie einen Fahrzeugtyp aufgrund einer grundlegenden unternehmerischen Entscheidung mit einer temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems ("Thermofenster") ausgestattet und in den Verkehr gebracht haben. Dies gilt auch dann, wenn mit der Entwicklung und dem Einsatz dieser Steuerung eine Kostensenkung und die Erzielung von Gewinn erstrebt war. Der Vorwurf der Sittenwidrigkeit wäre nur gerechtfertigt, wenn weitere Umstände hinzuträten, die das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen ließen. Die Annahme objektiver Sittenwidrigkeit setzt jedenfalls voraus, dass die handelnden Personen bei der Entwicklung und/oder Verwendung der temperaturabhängigen Steuerung des Emissionskontrollsystems in dem Bewusstsein handelten, eine unzulässige Abschalteinrichtung zu verwenden, und den darin liegenden Gesetzesverstoß billigend in Kauf nahmen. Für diese Voraussetzung trägt nach den allgemeinen Grundsätzen der Kläger als Anspruchsteller die Beweislast.

b) Der Kläger behauptet eine Manipulation der Abgasreinigung des streitgegenständlichen Fahrzeugs in mehrfacher Hinsicht, belegt diese aber lediglich mit Entscheidungen und Gutachten aus anderen Verfahren, ohne einen hinreichenden Bezug zum streitgegenständlichen Fahrzeug herzustellen. Außerdem fehlt es an ausreichendem Vortrag zu einem sittenwidrigen Verhalten der Beklagten. Taugliche Anhaltspunkte, die das Verhalten der handelnden Personen als besonders verwerflich erscheinen lassen, sind nicht ersichtlich.

Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte das KBA...

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