Leitsatz (amtlich)

1. Sind im Rahmen eines Abhilfeverfahrens die Voraussetzungen für die Einziehung des bereits erteilten Erbscheins zu prüfen, ist das Nachlassgericht für den Erlass der das Einziehungsverfahren begleitenden einstweiligen Anordnung zuständig.

2. Der Regelungsgehalt einer im Rahmen eines Erbscheinseinziehungsverfahrens zu erlassenen einstweiligen Anordnung ist auf die in der Hauptsache ergehende Endentscheidung hin beschränkt.

3. Der Ausspruch, sich einstweilig jeglicher (alleiniger) Verfügung über Nachlassgegenstände zu enthalten, ist dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes im Zivilrechtsverfahren vorbehalten.

 

Normenkette

BGB § 2361; FamFG §§ 49, 64 Abs. 3; ZPO § 935

 

Verfahrensgang

AG Augsburg (Aktenzeichen 3 VI 3524/19)

 

Tenor

1. Der Beschluss des Amtsgerichts Augsburg - Nachlassgericht - vom 21.11.2019 wird in Ziffer 2 aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Beschwerde der Beteiligten zu 1 zurückgewiesen.

3. Die Beteiligte zu 1 hat die im Beschwerdeverfahren 31 Wx 557/19 angefallenen Gerichtskosten sowie die dem Beteiligten zu 5 entstandenen notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

4. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren 31 Wx 557/19 wird auf 94.397,74 EUR festgesetzt.

5. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren 31 Wx 561/19 wird auf 91.363,95 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beschwerde der Beteiligten zu 1 richtet sich gegen den Beschluss des Nachlassgerichts vom 21.11.2019. Gegenstand dieses Beschlusses ist der Erlass einer einstweiligen Anordnung dergestalt, dass der aufgrund des gemeinschaftlichen Testaments vom 19.1.2019 erteilte Alleinerbschein zugunsten der Beteiligten zu 1 einstweilen zu den Akten gegeben wird (Ziffer 1) sowie der Beteiligten zu 1 aufgegeben wird, sich bis zur rechtskräftigen Entscheidung über eine Einziehung einstweilen jeglicher alleiniger Verfügung über die Nachlassgegenstände zu enthalten (Ziffer 2).

Die einstweilige Anordnung des Nachlassgerichts erging nach Erteilung des Erbscheins zugunsten der Beteiligten zu 1 am 1.10.2019. Hiergegen hat sich der Beteiligte zu 5 mit Schreiben vom 27.10.2019, eingegangen beim Nachlassgericht am 28.10.2019, gewandt. Zudem hat dessen Verfahrenbevollmächtigter mit Schriftsatz vom 18.11.2019, eingegangen am 19.11.2019 nach förmlicher Zustellung des Beschlusses an ihn am 5.11.2019, Beschwerde gegen die Erteilung des Erbscheins eingelegt.

II. Die zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1 hat lediglich insofern Erfolg, als sie gegen die Ziffer 2 des Beschlusses des Nachlassgerichtes gerichtet ist.

1. Da der Erbschein bereits erteilt ist, ist die Beschwerde des Beteiligten zu 5 als Anregung auf Einziehung des Erbscheins auszulegen (vgl. § 352e Abs. 3 FamFG). Nachdem die "Beschwerde" fristgemäß erfolgt ist, ist die einstweilige Anordnung des Nachlassgerichts im Rahmen eines Abhilfeverfahrens im Sinne des § 68 FamFG erfolgt.

2. Gleichwohl war das Nachlassgericht für den Erlass der einstweiligen Anordnung zuständig, da im Rahmen des Abhilfeverfahrens aufgrund der Erteilung des Erbscheins die Voraussetzungen des § 2361 BGB zu prüfen sind und dieses insofern im Hinblick auf das Erteilungsverfahren ein gesondert durchzuführendes Verfahren darstellt. Insofern greift § 64 Abs. 3 FamFG nicht, wonach im Beschwerdeverfahren allein das Beschwerdegericht für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zuständig ist.

III. Auch der Senat ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung in Bezug auf den erteilten Erbschein im Sinne des § 49 FamFG vorliegen.

1. Es liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass im Rahmen der Hauptsacheverfahren im Sinne des § 2361 BGB die Voraussetzungen für eine Einziehung des erteilten Erbscheins gegeben sind, da die Überzeugung des Gerichts von der Richtigkeit des Erbscheins erschüttert ist und die erstmalige Erteilung des Erbscheins auf der derzeitigen Entscheidungsgrundlage nicht erfolgen würde (vgl. Gierl in: Burandt/Rojahn 3. Auflage ≪2019 ≫ § 2361 BGB Rn. 9).

a) Der Senat teilt - auch unter Berücksichtigung der Stellungnahmen der Beteiligten zu 1, 2 und 3 zu dem Hinweisbeschluss des Senats vom 19.12.2019 - weiterhin die Auffassung des Nachlassgerichts, dass die Authentizität des Testaments in Bezug auf den Erblasser zweifelhaft ist. Auch nach den Feststellungen des Senats sind neben der Unterschrift (Datum 19.1.2019) auch im Rahmen der (ersten) Unterschrift des Erblassers in dem Testament (Datum 22.4.2018) Bleistiftspuren unterhalb der mit Kugelschreiber niedergelegten Unterschrift des Erblassers festzustellen. Insofern steht im Raum, dass die Unterschriften des Erblassers nach Vor-Schrift nachgeahmt wurden und so der beantragte Erbschein an sich erst nach Durchführung einer Beweisaufnahme und gegebenenfalls nach Einholung eines Schriftsachverständigengutachtens zur Abklärung der Urheberschaft des Erblassers zu erteilen gewesen wäre.

b) Ob der Erblasser - wie von der Beteiligten zu 1 behauptet und unter Beweis gestellt - tatsächlich der Urheber der hier inmitt...

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