Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattung einer zweiten Einigungsgebühr bei Terminsvertreter
Leitsatz (amtlich)
1. Zwei Einigungsgebühren, eine beim Prozessbevollmächtigten und eine beim Terminsvertreter, können erstattungsfähig sein.
2. Bei der ex ante Vergleichsberechnung der zusätzlichen Kosten durch einen Terminsvertreter einerseits bzw. durch Reisekosten des auswärtigen Prozessbevollmächtigten andererseits ist nicht zu berücksichtigen, dass u.U. eine zweite Einigungsgebühr anfallen kann.
Normenkette
ZPO § 91; RVG-VV Nrn. 1000, 3401
Verfahrensgang
LG Traunstein (Beschluss vom 30.10.2006; Aktenzeichen 7 O 1955/06) |
Tenor
I. Der Kostenfestsetzungsbeschluss des LG Traunstein vom 30.10.2006 wird hinsichtlich des Erstattungsbetrages dahingehend abgeändert, dass dieser auf 1.570,27 EUR heraufgesetzt wird.
II. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde zurückgewiesen.
III. Die außergerichtlichen Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
Die Gerichtskosten trägt die Klägerin.
IV. Der Beschwerdewert beträgt 740,67 EUR.
V. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin wendet sich dagegen, dass von den von ihr verlangten Beträgen noch einmal Mehrwertsteuer abgezogen worden sei, obgleich sie keine Mehrwertsteuer geltend gemacht habe, sowie dagegen, dass eine zweite Einigungsgebühr nicht als erstattungsfähig angesehen wurde.
Die Klägerin klagte beim LG Traunstein auf Bezahlung von Unternehmensberatungsdiensten. Die in ... ansässige Klägerin wurde von einem in ... residierenden Rechtsanwalt vertreten. Nach Durchführung des schriftlichen Vorverfahrens wurde die Klägerin in der mündlichen Verhandlung von einem Traunsteiner Terminsvertreter vertreten. In der mündlichen Verhandlung schlossen die Parteien einen Vergleich, dem zufolge die Klägerin 1/3 und der Beklagte 2/3 der Kosten des Rechtsstreits tragen. In der mündlichen Verhandlung hatte der Terminsvertreter der Klägerin den Sitzungssaal verlassen und mit deren Prozessbevollmächtigten den Vergleichsinhalt telefonisch besprochen. Der Vergleich wurde dann entsprechend den Vorgaben des Prozessbevollmächtigten abgeschlossen.
Die Klägerin verlangte Erstattung außergerichtlicher Kosten i.H.v. 3.955,90 EUR einschließlich der Kosten für den Terminsvertreter. Dabei hat sie sowohl für den Prozessbevollmächtigten als auch für den Terminsvertreter eine 1,0-Einigungsgebühr i.H.v. 606 EUR angemeldet. Das LG hat dem Erstattungsanspruch stattgegeben, jedoch 606 EUR für eine zweite Einigungsgebühr sowie vom Terminsvertreter geltend gemachte Mehrwertsteuer i.H.v. 279,54 EUR abgezogen. Eine Einigungsgebühr sei nur einmal angefallen. Die Mitwirkung des Terminsvertreters sei nicht maßgeblich für das Zustandekommen des Vergleichs gewesen.
II. Die sofortige Beschwerde ist teilweise begründet.
1. Einigungsgebühr
Es besteht ein Anspruch der Klägerin auf Erstattung einer zweiten Einigungsgebühr.
a) Nach der Rechtsprechung des BGH ist, abgesehen von Ausnahmesituationen, die vorliegend eindeutig nicht gegeben sind, eine Partei grundsätzlich berechtigt, einen Prozessbevollmächtigten an deren Wohn- oder Geschäftssitz zu beauftragen, und sind dann die Reisekosten dieses Prozessbevollmächtigten zu erstatten. Reist der Prozessbevollmächtigte nicht selbst, sondern wird ein Terminvertreter eingeschaltet, so sind die durch ihn entstehenden zusätzlichen Kosten nach dem BGH dann zu erstatten, wenn sie nicht erheblich höher als die Reisekosten des Prozessbevollmächtigten sind, wobei eine wesentliche Überschreitung zu verneinen ist, wenn die Mehrkosten nicht über 10 % hinausgehen (BGH NJW 2003, 898). Der Senat folgt dem BGH aus Gründen der Einheitlichkeit der Rechtsprechung (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO; zur Kritik an der BGH-Rspr. s. Bischoff in Bischoff/Jungbauer, RVG, 2. Aufl., Nr. 1000 RVG-VV Rz. 8ff; krit. auch Müller-Rabe in Gerold/Schmidt, RVG, 17. Aufl., RVG-VV Vorb. 3 Rz. 123)
Bei der Vergleichsrechnung zwischen den fiktiven Reisekosten des Prozessbevollmächtigten und den Kosten des Unterbevollmächtigten ist eine ex ante Betrachtung erforderlich (BGH NJW 03, 898 = AnwBl. 03, 309; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., RVG-VV 3401, Rz. 87 m.w.N.). Bei dieser muss die Entstehung einer zweiten Einigungsgebühr nicht mit einbezogen werden. Die Partei muss nicht damit rechnen, dass die Einigungsgebühr doppelt anfallen wird. Ein Vergleich wird nicht derartig häufig geschlossen, dass in der Mehrzahl der Fälle von der Entstehung einer Einigungsgebühr ausgegangen werden müsste (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 17. Aufl., RVG-VV 3401, Rz. 88 (2); Enders, JurBüro 2005, 62 [65]).
b) Somit war mit Mehrkosten durch einen Terminsvertreter i.H.v. einer 0,65 Verfahrensgebühr gem. VV 3401 aus einem Gegenstandswert von 18.270 EUR zu rechnen, also 393,90 EUR zzgl. 20 EUR Pauschale. Im Verhältnis dazu wären die fiktiven Reisekosten des Prozessbevollmächtigten von ... nach Traunstein erheblich höher gewesen (745 km × 0,30 EUR × 2 = 447 EUR + Übernachtung 100 EUR + Abwesenheitsgeld). Ex ante war daher zu erwarten, dass die Einsc...