Entscheidungsstichwort (Thema)

Formerfordernis bei Berufungseinlegung. Verschlechterungsverbot bei Verurteilung in einer versehentlich auf verspäteten Einspruch anberaumten Hauptverhandlung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Dem Erfordernis der Schriftform nach § 314 Abs. 1 StPO kann eine Berufungsschrift, die mit dem Briefkopf des Rechtsanwalts, seinem Diktatzeichen und seinem maschinengeschriebenen Vor- und Nachnamen als Schlussformel versehen ist auch dann genügen, wenn sie von diesem nicht eigenhändig unterzeichnet ist.

2. Hat das Amtsgericht auf einen verspätet eingelegten Einspruch gegen einen Strafbefehl versehentlich die Hauptverhandlung durchgeführt und durch Urteil auf eine mildere Strafe erkannt als diejenige, die mit dem Strafbefehl verhängt worden war, so ist das Urteil auf die Revision des Angeklagten aufzuheben und der Einspruch unter Beachtung des Verschlechterungsverbotes (§ 358 Abs. 2 StPO) als unzulässig zu verwerfen.

 

Verfahrensgang

AG München (Urteil vom 23.08.2007; Aktenzeichen 1112 Cs 365 Js 33015/07)

 

Tenor

I. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts München vom 23. August 2007 mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

II. Der Einspruch der Angeklagten vom 20.3.2007 gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 28.2.2007, 1112 Cs 365 Js 33015/07, wird mit der Maßgabe als unzulässig verworfen, dass es bei der durch Urteil des Amtsgerichts München vom 23.8.2007 verhängten Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 15 € verbleibt.

III. Die Angeklagte trägt die Kosten ihrer Revision und die ihr insoweit entstandenen notwendigen Auslagen.

 

Gründe

I.

Das Amtsgericht München erließ am 28.2.2007 gegen die Angeklagte einen Strafbefehl wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und verhängte hierfür eine Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zu je 20 EUR.

Gegen diesen am 5.3.2007 zugestellten Strafbefehl erhob die Angeklagte mit Schreiben vom 20.3.2007, eingegangen bei Gericht am gleichen Tage, Einspruch, den sie mit Schreiben vom 3.8.2007, bei Gericht eingegangen am 6.8.2007 auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte.

Am 23.8.2007 verurteilte das Amtsgericht München die Angeklagte wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 15 EUR. Dieses Urteil wurde an den Verteidiger am 12.9.2007 zugestellt.

Mit maschinengeschriebenem Schreiben vom 30.8.2007, bei dem Amtsgericht München eingegangen am gleichen Tag, legte der Verteidiger der Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Berufung ein. Dieses nicht unterschriebene Rechtsmittelschreiben trägt neben dem Datum das Aktenzeichen der Kanzlei des Verteidigers “203/07„, das Diktatzeichen “gu/sc„ und als Schlussformel den vollständigen Vor- und Nachnamen des Rechtsanwalts, “B###. G###. Rechtsanwalt„.

Mit Schreiben vom 12.10.2007, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, bezeichnete der Verteidiger der Angeklagten die eingelegte Berufung als Revision, die er mit der fehlerhaften Nichtanwendung des § 29 Abs. 5 BtMG begründete.

II.

Die statthafte (§ 335 Abs. 1, § 312 StPO) und auch im Übrigen zulässige (§§ 344, 345 StPO) Revision der Angeklagten hat in der Sache keinen Erfolg.

1. Die Revision gegen das Urteil des Amtsgerichts München vom 23.8.2007 ist statthaft. Zwar hat die Angeklagte gegen den Strafbefehl des Amtsgerichts München vom 28.2.2007, der ihr am 5.3.2007 zugestellt wurde, mit Telefax-Schreiben vom 20.3.2007, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag, nach Ablauf der zweiwöchigen Einspruchsfrist (§ 410 Abs. 1 Satz 1, § 43 Abs. 1 StPO) verspätet Einspruch eingelegt. Dies führt jedoch trotz fehlerhafter Beurteilung der Rechtszeitigkeit des Einspruchs durch den Tatrichter nicht dazu, dass es sich bei dem amtsgerichtlichen Urteil vom 23.8.2007 um ein “Nichturteil„ handelte. Vielmehr kann es seinerseits in Rechtskraft erwachsen und die bereits eingetretene Rechtskraft des Strafbefehls wieder beseitigen. Über die Revision gegen ein solches Urteil kann und darf somit das Revisionsgericht entscheiden (BGHSt 13, 306/309; 18, 127/129).

2. Die Angeklagte hat gegen das Urteil des Amtsgerichts vom 23.8.2007 mit anwaltlichem Schriftsatz vom 30.8.207 zunächst wirksam das Rechtsmittel der Berufung eingelegt. Eine Berufung muss bei dem Gericht des ersten Rechtszuges binnen einer Woche nach Verkündung des Urteils zu Protokoll der Geschäftsstelle oder schriftlich eingelegt werden (§ 314 Abs. 1 StPO). Während für eine Begründung der Revision, die nicht zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegt wird, eine von einem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt “unterzeichnete„ Schrift erforderlich ist (§ 345 Abs. 2 StPO) erfordert die Einlegung einer Berufung oder Revision lediglich, dass diese “schriftlich„ erfolgt (§ 314 Abs. 1, 341 Abs. 1 StPO). Bereits das Reichsgericht ist davon ausgegangen, dass die Unterschrift kein wesentliches Erfordernis der Schriftlichkeit im Sinne des § 314 StPO sei, wohl aber müsse aus dem Schriftstück in einer jeden Zweifel ausschließenden Weise ersichtlich sein, von wem die Erklärung h...

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