Leitsatz (amtlich)

Die Terminsgebühr für die Berufungsinstanz nach Nr. 3202 VV-RVG entsteht nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 RVG-VV auch dann, wenn die Prozessbevollmächtigten der Parteien an einer auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechung mitgewirkt haben und die Berufung zurückgenommen worden ist, bevor ein Verhandlungstermin anberaumt wird (entgegen BGH, 15.3.2007 - V ZB 170/06 - Jurbüro 2007, 525).

 

Normenkette

RVG-VV Nr. 3202; RVG-VV Vorbemerkung 3 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Beschluss vom 08.05.2009; Aktenzeichen 2 O 2842/04)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des LG Kempten vom 8.5.2009 wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

III. Der Wert der Beschwerde beträgt 2.153,42 EUR.

IV. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die auf Schmerzensgeld und Feststellung einer Schadensersatzpflicht gerichtete Klage wurde durch Endurteil des LG Kempten vom 23.1.2008 abgewiesen. Gegen dieses Urteil legte der Kläger am 18.3.2008 Berufung ein. Sein damaliger Prozessbevollmächtigter führte am 21.5.2008 mit dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten zu 2) ein Telefongespräch über die Möglichkeit einer gütlichen Einigung, das zunächst erfolglos blieb. Auf einen entsprechenden gerichtlichen Hinweis nahm der Kläger die Berufung mit Schriftsatz vom 5.8.2008 zurück. Mit Beschluss des OLG München vom 6.8.2008 wurden ihm die Kosten des Berufungsverfahrens auferlegt und der Streitwert auf 140.000 EUR festgesetzt.

Auf Antrag der Beklagten zu 2) vom 14.8.2008, gegen den der Kläger mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 6.5.2009 ausdrücklich keine Einwendungen erhoben hatte, wurden mit Beschluss des LG Kemp-ten vom 8.5.2009 die vom Kläger an die Beklagte zu 2) zu erstattenden Kosten des Berufungsverfahrens auf 5.048,46 EUR festgesetzt, darunter eine 1,2 Terminsgebühr i.H.v. 1.809,60 EUR zzgl. MWST.

Gegen diesen ihm am 13.5.2009 zugestellten Beschluss hat der Kläger am 19.5.2009 sofortige Beschwerde eingelegt, mit der er sich gegen die Festsetzung einer Terminsgebühr wendet. Dieser Beschwerde hat das LG durch Beschluss vom 31.7.2009 nicht abgeholfen.

II. Die sofortige Beschwerde ist zulässig (§§ 104 Abs. 3, 567, 569 ZPO).

Das Rechtsmittel erweist sich aber als unbegründet.

Das LG hat zu Recht auch eine 1,2 Terminsgebühr festgesetzt, da diese nach Vorbemerkung 3 Abs. 3, 3. Alternative RVG-VV für das Telefongespräch zwischen den Parteien angefallen ist.

Mit der Einführung der Terminsgebühr nach dem RVG, die sowohl die Verhand-lungs- als auch die Erörterungsgebühr nach § 31 Abs. 1 Nr. 2 und 4 BRAGO ersetzt, sollte erreicht werden, dass der Anwalt nach seiner Bestellung zum Verfahrens- oder Prozessbevollmächtigten in jeder Phase des Verfahrens zu einer möglichst frühen, der Sach- und Rechtslage entsprechenden Beendigung des Verfahrens beiträgt. Deshalb soll die Gebühr auch schon verdient sein, wenn der Rechtsanwalt an auf die Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen ohne Beteiligung des Gerichts mitwirkt, insbesondere wenn diese auf den Abschluss des Verfahrens durch eine gütliche Regelung zielen (BT-Drucks. 15/1971, S. 209).

Eine Terminsgebühr kann nach Vorbemerkung 3 Abs. 3 RVG-VV in folgenden Fällen entstehen:

  • Für die Vertretung in einem Verhandlungs-, Erörterungs- oder Beweisaufnahmetermin;
  • für die Wahrnehmung eines von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termins;
  • für die Mitwirkung an auf die Vermeidung oder Erledigung des Verfahrens gerichteten Besprechungen auch ohne Beteiligung des Gerichts.

Daneben kann nach Abs. 1 der Anmerkung zu 3104 RVG-VV, die nach Abs. 1 der Anmerkung zu 3202 RVG-VV auch für die Terminsgebühr im Berufungsverfahren gilt, eine Terminsgebühr auch in im Einzelnen aufgeführten Fällen entstehen, in denen keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat, sondern der Rechtsanwalt nur schriftlich tätig geworden ist. In diesen Fällen ist dafür außerdem Voraussetzung, dass in den betreffenden Verfahren eine mündliche Verhandlung vorgeschrieben ist, da nur dann die schriftliche Tätigkeit des Anwalts einen Verhandlungstermin ersetzen und somit auch vergütungsrechtlich als gleichwertig angesehen werden kann (BT-Drucks. 15/1971, S. 212).

Diese Vorschrift enthält allerdings keine Einschränkung der Grundregel der Vorbemerkung 3 Abs. 3, sondern ergänzt und erweitert diese auf Fälle, in denen eine mündliche Verhandlung oder Besprechung, ob mit oder ohne Beteiligung des Gerichts, nicht stattfand (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe RVG 18. Aufl. 3104 W Rz. 7; Anwaltskommentar RVG Schneider/Wahlen 3. Aufl. 3140 W Rz. 1). Daraus folgt, dass bei Vorliegen der Voraussetzungen der Vorbemerkung 3 Abs. 3 die Entstehung einer Terminsgebühr nicht davon abhängig ist, dass zusätzlich eine der Voraussetzungen der Anmerkung zu 3104 RVG-VV vorliegt (Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, a.a.O., Vorbem. 3 W Rz. 92; so auch jedenfalls für das Berufungsverfahren OLG Dresden NJW-RR 2008, 1667).

Der gegenteiligen Ansicht (BGH ...

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