Leitsatz (amtlich)

1. Zur Vollziehung einer einstweiligen Verfügung auf Veröffentlichung einer Gegendarstellung ist – entgegen einer Auffassung des OLG Rostock – zusätzlich zur Parteizustellung nicht erforderlich, dass ein Antrag auf Festsetzung von Zwangsmitteln gemäß § 888 ZPO gestellt wird.

2. Ein Antrag gemäß § 888 ZPO ist auch dann wirksam gestellt, wenn er, unter Gebrauch des Ausdrucks „Bestrafungsantrag”, fälschlich auf § 890 ZPO gestützt wird.

 

Normenkette

ZPO §§ 888, 929

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 9 O 4246/02)

 

Tenor

I. Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des LG München I, 9. Zivilkammer, vom 13.5.2002 wird als unzulässig verworfen, soweit sie sich gegen den Entscheidungssatz 1) des landgerichtlichen Beschlusses richtet.

II. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde gegen den genannten Beschluss mit der Maßgabe als unbegründet zurückgewiesen, dass die Schuldnerin die Vollziehung der Anordnung durch Abdruck der Gegendarstellung in der nach Amtszustellung dieses Beschlusses nächst erreichbaren Ausgabe abwenden kann.

III. Die Schuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

IV. Der Beschwerdewert wird auf 25.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde ist unzulässig, soweit sie sich dagegen richtet, dass das LG die Zwangsvollstreckung nicht vorläufig eingestellt hat. §§ 936, 924 Abs. 3 S. 2 ZPO verweisen auf § 707 ZPO insgesamt, mit Ausnahme von dessen Abs. 1 S. 2. Deshalb gilt auch § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO, wonach eine Anfechtung der Entscheidung über den Einstellungsantrag nicht stattfindet. Die Voraussetzungen einer sog. „greifbaren Gesetzwidrigkeit” liegen nicht vor. Außerdem ist dieser Rechtsfigur durch die ZPO-Reform der Boden entzogen (vgl. BGH v. 7.3.2002 – IX ZB 11/02, BGHReport 2002, 431 = NJW 2002, 1577).

Die sofortige Beschwerde ist i.Ü. unbegründet. Der Senat hält die Auffassung des LG zur Frage der Vollziehung der einstweiligen Verfügung durch Parteizustellung für zutreffend und nimmt auf den angefochtenen Beschluss Bezug.

Entgegen den Ausführungen des OLG Rostock (OLG Rostock, Urt. v. 20.2.2002 – 2 U 5/02) ist zusätzlich zur Parteizustellung nicht auch noch erforderlich, dass der Gläubiger den Antrag nach § 888 ZPO stellt (OLG München v. 8.6.1988 – 21 U 3059/88, AfP 1988, 269 = NJW-RR 1989, 180 – Esfahanian II; OLG Hamburg v. 19.3.1981 – 3 U 181/80, AfP 1982, 35 – Abdruckzusage; so auch Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 936 Rz. 7 und speziell für das Gegendarstellungsrecht Löffler/Ricker, Handbuch des Presserechts, 4. Aufl., Kap. 28 Rz. 14; Löffler/Sedelmeier, Presserecht, 4. Aufl., § 11 LPG Rz. 222; Seitz/Schmidt/Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl., Rz. 764; Wenzel, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 4. Aufl., Rz. 11.248). Die Auffassung des OLG Rostock erschwert die Durchsetzung des gerichtlichen Titels über den Wortlaut des § 929 Abs. 2 ZPO hinaus in unnötiger Weise. Mit der Parteizustellung gibt der Gläubiger in ausreichender Weise zu erkennen, dass er den Titel durchsetzen will. Es bedeutet schon eine Erschwerung, wenn man hierbei die Einhaltung von Förmlichkeiten verlangt (Zustellung einer Ausfertigung der Entscheidung, nicht einer bloßen Kopie; Zustellung an den bestellten Anwalt, nicht an die Partei selbst). Der Schutz der Pressefreiheit verlangt die Erschwerung der Vollziehung nicht. Eine Androhung der Zwangsmittel, wie sie in dem Beschluss des OLG Rostock verlangt wird, sieht § 888 ZPO – im Gegensatz zu § 890 Abs. 2 ZPO – gerade nicht vor (vgl. Seitz/Schmidt/Schoener, Der Gegendarstellungsanspruch, 3. Aufl., Rz. 686). Dieses Argument des OLG Rostock geht also ins Leere. Die strenge Auffassung des OLG Rostock verletzt insoweit den Anspruch der Gläubigerin gegen den Staat dahin, ein effektives Gegendarstellungsrecht zur Verfügung zu stellen. Ein mehr an Rechtssicherheit wird durch diese Auffassung nicht erreicht. Das Interesse des Schuldners verlangt das zusätzliche Abstellen auf den Zwangsmittelantrag nicht. § 929 Abs. 2 ZPO will eine Vollstreckung nach Veränderung der Umstände und eine Überrumpelung des Schuldners verhindern (Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 24. Aufl., § 929 Rz. 2). Dem wird durch das Erfordernis der Parteizustellung ausreichend Rechnung getragen. Eine Veränderung der Umstände ist im vorliegenden Bereich der Gegendarstellung auch kaum zu erwarten. Der Zeitfortschritt wirkt sich allenfalls zum Nachteil des Gläubigers aus, weil der Aktualitätsgrad der Erstmitteilung und damit der Effekt der Gegendarstellung sinkt. Auch kann der Gläubiger grundsätzlich darauf vertrauen, dass ein (wie hier) angesehener Verlag der gerichtlichen Anordnung auf Abdruck einer Gegendarstellung freiwillig nachkommt. Insofern ist die Lage im Bereich des Gegendarstellungsrechts nicht mit anderen Fällen des § 888 ZPO zu vergleichen. Die vom OLG Rostock vertretene Auffassung bewirkt eher, dass Verlage versuchen, sich gegen das Recht zu stellen, um nach Ablauf der Frist ihrer Veröffentlichungspflicht entgehen zu können. S...

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