Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlehensrückzahlungsanspruch im Zusammenhang mit einer Scheidungsfolgenvereinbarung
Leitsatz (amtlich)
1. Die Gesellschafter einer GmbH bezwecken mit der ihnen obliegenden Feststellung des Jahresabschlusses regelmäßig, die Rechtsgrundlage für das Folgejahr zu fixieren und ihre Ansprüche und Verbindlichkeiten gegenüber der Gesellschaft zum Bilanzstichtag festzulegen; typischer Inhalt einer solchen korporativen Abrede ist auch der Ausschluss der bekannten oder mindestens für möglich gehaltenen Einwendungen im Sinne eines deklaratorischen Anerkenntnisses. (Rn. 27 - 29)
2. Steht fest, dass ein eingeforderter Betrag nicht erforderlich ist, um Gläubiger zu befriedigen und eine satzungskonforme Verteilung des Gesellschaftsvermögens zu gewährleisten, darf der in Anspruch genommene Gesellschafter die Leistung verweigern. Diesen trifft aber die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass ein solcher Fall vorliegt. (Rn. 36 - 37)
Normenkette
BGB §§ 133, 286 Abs. 2, § 288 Abs. 1 S. 2, § 362 Abs. 1, § 488 Abs. 1 S. 2 Var. 2, Abs. 3 S. 2; GmbHG § 70
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 30.03.2022; Aktenzeichen 24 O 7992/21) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 30.03.2022, Az. 24 O 7992/21, in Ziffer 1 seines Tenors wie folgt abgeändert:
"Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 35.420,92 EUR nebst Zinsen aus einem Betrag von 60.000,00 EUR in Höhe von 0,25% für den Zeitraum vom 04.10.2016 bis 13.10.2019, aus einem Betrag von 50.000,00 EUR in Höhe von 0,25% für den Zeitraum vom 14.10.2019 bis 31.12.2019, aus einem Betrag von 35.420,92 EUR in Höhe von 0,25% für den Zeitraum vom 01.01.2020 bis 30.04.2021 sowie aus einem Betrag von 35.420,92 EUR in Höhe der Hälfte von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.05.2021 zu zahlen."
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 29%, die Beklagte 71%.
4. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 des Tenors bezeichnete Endurteil des Landgerichts München I, soweit es noch Bestand hat, sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
5. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Mit Gesellschaftsvertrag vom 30.12.2009 gründeten die Beklagte und ihr damaliger Ehemann, Herr ..., die am 12.02.2010 in das Handelsregister eingetragene Klägerin mit einem in 25.000 Geschäftsanteile eingeteilten Stammkapital von 25.000 EUR, wobei die beiden Gesellschafter jeweils die Hälfte der Geschäftsanteile hielten und halten. Einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer der Klägerin waren bis zu ihrer Auflösung die beiden Gesellschafter.
Am 04.10.2016 überwies die Beklagten vom Konto Nr. DE...1 der Beklagten bei der ... jeweils 60.000 EUR an sich und Herrn ..., der am 10.10.2016 und 11.10.2016 jeweils 30.000 EUR an die Klägerin zurücküberwies (vgl. den Kontoauszug laut Anl. K 2).
Der Jahresabschluss der Klägerin für das Geschäftsjahr 2016 wies eine Forderung der Klägerin gegen die Beklagte in Höhe von 60.072,50 EUR, für das Geschäftsjahr 2017 in Höhe von 60.698,77 EUR (vgl. für die Geschäftsjahre 2016 und 2017 den Jahresabschluss für 2017 laut Anl. K 3) und für das Geschäftsjahr 2018 in Höhe von 60.672,50 EUR (vgl. den Vorjahreswert aus dem Jahresabschluss für 2019 laut Anl. K 7) aus. Die Jahresabschlüsse wurden jeweils von der Gesellschafterversammlung der Klägerin einstimmig festgestellt (vgl. bspw. für den Jahresabschluss 2016 die Niederschrift über die Gesellschafterversammlung der Klägerin vom 12.04.2018 laut Anl. K 4).
Im Hinblick auf das zum damaligen Zeitpunkt beim Amtsgericht - Familiengericht München anhängige Scheidungsverfahren sowie die weiteren dort anhängigen Familienstreitsachen schlossen die Beklagte und Herr ... am 01.10.2019 vor dem Notar ... den "Scheidungsfolgenvertrag mit Überlassung Grundbesitz", UR-Nr. F 2095/2019, laut Anl. B 1 (im Folgenden als Scheidungsfolgenvereinbarung bezeichnet). Dieser lautete in § 2 "Vermögensauseinandersetzung" auszugsweise wie folgt:
"Gesellschaftsauflösung
Die Beteiligten sind mit jeweils 12.500 Geschäftsanteilen im Nennbetrage von EUR 1,00 die sämtlichen Gesellschafter der im Handelsregister des Amtsgerichts München unter HRB ... eingetragenen Gesellschaft mit der Firma ... GmbH mit Sitz in ....
Die Ehefrau verpflichtet sich, innerhalb von zwei Wochen ab dem heutigen Tage einen Geldbetrag in Höhe von EUR 10.000,00 (...) in die Gesell...