Verfahrensgang

LG Traunstein (Urteil vom 16.05.2011; Aktenzeichen 3 O 680/10)

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Beklagten zu 1), Alois B., wird das Endurteil des Landgerichts Traunstein vom 16.05.2011 (Az.: 3 O 680/10) aufgehoben, soweit es den Beklagten zu 1) betrifft.

II Die Klage gegen den Beklagten zu 1) wird abgewiesen.

III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits erster und zweiter Instanz zu tragen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

VI. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.171,15 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

I.

1. Die Klägerin macht Ansprüche aus einer Ersatzvornahme gegen den Beklagten zu 1) geltend. In erster Instanz richtete sie ihren Anspruch auch noch gegen die Beklagte zu 2), die damalige Ehefrau des Beklagten zu 1), als Gesamtschuldnerin. Die Klage gegen die Beklagte zu 2) wurde in erster Instanz abgewiesen. Insoweit ist das Urteil rechtskräftig.

Der Beklagte zu 1) wurde entsprechend dem Klageantrag in voller Höhe verurteilt. Insoweit wird gem. § 540 Abs. 2 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen im Tatbestand des Ersturteils Bezug genommen.

2. Der Beklagte zu 1) verfolgt mit seinem Rechtsmittel die Aufhebung des Ersturteils und die Abweisung der Klage weiter. Er wiederholt und vertieft sein Vorbringen aus erster Instanz:

Es fehle an der Prozessführungsbefugnis. So sei schon zu bestreiten, dass die Klägerin etwaige Mängelrechte des letzten Erwerbers S. an sich gezogen habe. Außerdem sei die Hausverwaltung ohne entsprechenden Beschluss der Klägerin zur Klageerhebung nicht befugt. Im Übrigen ergebe sich aus dem Verwaltervertrag, dort § 3 Nr. 5, dass die Ansprüche der Klägerin nur in eigenem Namen der Verwaltung, nicht aber namens der WEG geltend gemacht werden dürften.

Der Mangelvortrag sei unsubstantiiert. Die Mängel würden bestritten.

Etwaige Ansprüche seien im Übrigen auch verjährt. Das Gemeinschaftseigentum sei jedenfalls durch Ingebrauchnahme abgenommen worden.

3. Der Beklagte zu 1) beantragte,

I. das Endurteil des Landgerichts Traunstein, Az.: 3 O 680/10, vom 26.04.2011 aufzuheben,

II. die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragte,

das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 16.05.2011 aufrecht zu erhalten und die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

4. Sie trägt hierzu vor:

Sie habe die Mängelgewährleistungsansprüche in der Eigentümerversammlung vom 22.06.2007 mit Beschluss gem. TOP 3 an sich gezogen und – sofern eine zu setzende Nachfrist ergebnislos verstreiche – die Durchführung der Ersatzvornahme beschlossen. Dies umfasse auch die noch nicht verjährten Mängelgewährleistungsansprüche etwaiger Nachzügler. Im Übrigen sei der Letzterwerber S. in den Verwaltervertrag eingetreten.

5. Der Beklagte zu 1) beantragte für die Berufungsinstanz die Gewährung von Prozesskostenhilfe sowie die Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten. Diesem Antrag wurde wegen Erfolgsaussichten seines Rechtsmittels mit Beschluss vom 25.08.2011 stattgegeben, weil kein ausreichender Vortrag dazu vorliege, dass die Klägerin die noch allein dem Eigentümer S. zustehenden Mängelansprüche wirksam an sich gezogen habe.

In mündlicher Berufungsverhandlung vom 29.11.2011 (Bl. 161-164 d. A.) wurde die Problematik des An-sich-Ziehens des Nachzügler-Anspruches S. nochmals ausdrücklich mit den Parteien besprochen.

Es wurde ein widerruflicher Vergleich geschlossen, den der Beklagte zu 1) mit Schriftsatz vom 27.02.2012 (Bl. 166) widerrief. Mit Beschluss vom 23.04.2012 (Bl. 176-178) wurde eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren angeordnet.

 

Entscheidungsgründe

II.

1. Die Berufung ist zulässig, §§ 511, 517, 519, 520 ZPO.

2. Sie ist auch begründet und führt zur Aufhebung des landgerichtlichen Ersturteils und Abweisung der Klage, soweit noch über den Anspruch gegen den Beklagten zu 1) zu entscheiden war.

Die Klägerin konnte nämlich nicht ausreichend darlegen, dass sie tatsächlich etwaig bestehende Mängelgewährleistungsrechte des Erwerbers S. an sich gezogen und diese damit berechtigt geltend gemacht hat.

a. Grundsätzlich muss nicht nur das Sondereigentum, sondern auch das

Gemeinschaftseigentum von jedem einzelnen Erwerber abgenommen werden. Auch hat diese Abnahme nur für den jeweiligen einzelnen Erwerber Folgen und wirkt nicht für andere – etwa zeitlich nachfolgende – Käufer. Damit sind Mängelansprüche erst dann verjährt, wenn für den letzten Erwerber „Nachzügler”) Verjährungseintritt erfolgt ist (vgl. Werner-Pastor, 13. Aufl., Rdnr. 507 m. w. N.).

Hieraus folgt, dass jeder einzelne Erwerber die Mängel am Gemeinschaftseigentum auch eigenständig geltend machen kann.

Will die Wohnungseigentümergemeinschaft an seiner Stelle die dem Erwerber zustehenden Mängel einklagen, so muss sie zunächst die Erwerberrechte durch Beschluss gem. § 10 Abs. 6 Satz 3 WEG an sich ziehen und sodann – soweit sie den Verwalter mit deren gerichtlicher Durchsetzung betrauen will – diesen mit einem weiteren Mehrheitsbeschluss ermächtigen (Werner-Pastor a. a. O. Rdnr. 511-513 m. w. N.).

Soweit die Mängelrechte des einzeln...

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