Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftungsverteilung bei berührungslosem Parkplatzunfall

 

Normenkette

StVG § 7 Abs. 1, § 17 Abs. 3, § 18; VVG § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 115 S. 4; StVO § 9 Abs. 5; BGB § 286 Abs. 1 S. 2, §§ 291, 425 Abs. 1; EGZPO § 26 Nr. 8

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 12.01.2016; Aktenzeichen 17 O 14907/14)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten vom 22.02.2016 wird das Endurteil des LG München I vom 12.01.2016 (Az.: 17 O 14907/14) abgeändert und wie folgt neugefasst:

I. Die Beklagten werden samtverbindlich verurteilt, an den Kläger 5.131,50 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 29.08.2014 sowie vorprozessuale Rechtsanwaltskosten in Höhe von 610,81 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 29.08.2014 zu bezahlen.

II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

III. Die Kosten des Rechtsstreits (erster Instanz) werden gegeneinander aufgehoben.

2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

3. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A. Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313a I 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO).

 

Entscheidungsgründe

B.I. Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung (der Beklagten) hat in der Sache teilweise, nämlich zur Hälfte, Erfolg.

1.) Der Kläger hat gegen die Beklagten Anspruch auf samtverbindliche Zahlung von 5.131,50 EUR aus §§ 7 I StVG, 115 I S. 1 Nr. 1, S. 4 VVG.

a) Zur Haftung dem Grunde nach:

aa) Der Unfall hat sich bei dem Betrieb i.S.d. § 7 I StVG beider streitgegenständlicher Pkws ereignet.

Dies gilt, obwohl es sich um einen berührungslosen Unfall handelt, insbesondere auch für den Beklagten-Pkw. Denn nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. z.B. Urteil vom 21.01.2014, Az.: VI ZR 253/13, NZV 2014, 207) ist dieses Haftungsmerkmal ("bei dem Betrieb") entsprechend dem umfassenden Schutzzweck der Norm weit auszulegen. Ein Geschehen ist demnach dem Betrieb des Kraftfahrzeugs zuzuordnen, wenn sich die von diesem ausgehende Gefahr auf den Schadensablauf ausgewirkt hat, also das Schadensereignis in dieser Weise durch das Kfz mitgeprägt worden ist. Maßgeblich bestimmend für die Zurechnung der Betriebsgefahr ist, wie vom BGH weiter ausgeführt, dass der Unfall in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kfz steht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. z.B. Urteil vom 21.09.2010, Az.: VI ZR 263/09, NZV 2010, 612) gilt ferner, dass eine Haftung aus § 7 I StVG auch dann in Betracht kommen kann, wenn es sich, wie hier, um einen berührungslosen Unfall handelt. Hierzu hat der BGH im o.g. Urteil vom 21.09.2010 wörtlich ausgeführt: "Eine Haftung kommt grundsätzlich auch dann in Betracht, wenn der Unfall mittelbar durch das andere Kraftfahrzeug verursacht worden ist. Allerdings reicht die bloße Anwesenheit des Kraftfahrzeugs an der Unfallstelle dafür nicht aus. Vielmehr muss das Kraftfahrzeug durch seine Fahrweise (oder sonstige Verkehrsbeeinflussung) zu der Entstehung des Schadens beigetragen haben. Dieses kann etwa der Fall sein, wenn der Geschädigte durch den Betrieb eines Kraftfahrzeugs zu einer Reaktion wie z.B. zu einem Ausweichmanöver veranlasst wird und dadurch ein Schaden eintritt. In einem solchen Fall kann der für eine Haftung erforderliche Zurechnungszusammenhang je nach Lage des Falles zu bejahen sein. (...) Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats kann auch ein Unfall infolge einer voreiligen - also objektiv nicht erforderlichen - Abwehr- oder Ausweichreaktion gegebenenfalls dem Betrieb des Kraftfahrzeugs zugerechnet werden, das diese Reaktion ausgelöst hat. Es ist auch nicht erforderlich, dass die von dem Geschädigten vorgenommene Ausweichreaktion aus seiner Sicht, also subjektiv erforderlich war oder sich gar für ihn als die einzige Möglichkeit darstellte, um eine Kollision zu vermeiden."

Der streitgegenständliche Unfall hat sich - entsprechend den o.g. Grundsätzen - in einem nahen örtlichen und zeitlichen Zusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang des Beklagten-Pkws ereignet hat, nämlich der Parkplatzsuche der Beklagten zu 1). Ein solcher naher örtlicher und zeitlicher Zusammenhang ist zwischen den Parteien unstreitig; so hat die Beklagte zu 1) im Rahmen ihrer persönlichen Anhörung in der Sitzung vom 07.10.2016 wörtlich bekundet: "Wieviel Zeit zwischen dem Beginn meines Blinkens und dem Unfall vergangen ist, kann ich nicht sagen, es ging alles sehr schnell" (vgl. S. 3 des Sitzungsprotokolls = Bl. 119 d.A.). Streitig sind zwischen den Parteien nur die weiteren Einzelheiten des Unfallgeschehens, insbesondere ob die Beklagte im Rahmen ihrer Parkplatzsuche nicht blinkte, aber plötzlich nach links abbog (so der kl...

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