Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur 30-jährigen Arglisthaftung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Keine Arglisthaftung des Auftragnehmers für verschwiegene Baumängel ohne Vertrauen des Auftraggebers auf Mangelfreiheit bei Ablieferung.

2. Eine Vielzahl bereits bekannter Mängel kann das Vertrauen des Auftraggebers auch bezüglich ihm noch unbekannter Mängel zerstören.

 

Normenkette

BGB a.F. § 638 Abs. 1; BGB § 195

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 16.12.2009; Aktenzeichen 18 O 17304/05)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG München I vom 16.12.2009 wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert des Berufungsverfahrens beträgt 2.538.916,78 EUR.

 

Gründe

I. Die Klägerin begehrte Schadensersatz i.H.v. 3,2 Mio. Euro wegen mangelhafter Bauleistungen der Beklagten, die die Beklagte aufgrund der Werkverträge vom 14.2.1994 und 8.3.1995 erbracht hatte.

Durch diese Verträge war die Beklagte mit der Herstellung von 437 Wohneinheiten samt Tiefgaragen, gegliedert in 4 Bauteile beauftragt und die Geltung der VOB/B vereinbart, jedoch mit einer Gewährleistungsfrist von 5 Jahren. Die Beklagte beruft sich u.a. auf Verjährung.

"Nachdem die Beklagte die Bauarbeiten aufgenommen hatte, zeigte sich bald, dass die Beklagte erheblich mangelhaft arbeitete und die im Vertrag vorgesehenen vertragsstrafenbewährten Zwischenfristen nicht einhalten konnte. Aufgrund der erheblichen, von der Beklagten zu vertretenden Leistungsstörungen beauftragte die Klägerin Ende März 1996 das Planungsbüro P. mit der Begutachtung des Bauteils I, dessen Wohneinheiten zu diesem Zeitpunkt bereits von der Klägerin ganz überwiegenden verkauft und mit Ausnahmen von 49 Einheiten bewohnt waren. Zentrale Aufgabe des Planungsbüros P. war es, ein Mängelprotokoll zu erstellen sowie die Mangelbeseitigung und Abnahmefähigkeit der erbrachten Leistungen zu überprüfen. Unter dem Datum 31.3.1996 legte das Planungsbüro P. seinen 276 Seiten umfassenden Bericht vor, dessen Ergebnis angesichts der zahlreichen Ausführungsmängel ernüchternd und auch für die Mitarbeiter des Planungsbüros niederschmetternd war.

... Unter dem Eindruck des Mängelprotokolls der Firma P. schlossen die Parteien unter dem Datum 21.5.1996 eine Nachtragsvereinbarung zu den beiden Werkverträgen vom 14.2.1994 und vom 8.3.1995. ...

Unter § 2 der Nachtragsvereinbarung kamen die Parteien überein, dass der Bauvertrag zum Bauteil I mit sofortiger Wirkung beendet wird. Die Parteien einigten sich darauf, dass die beim Bauteil I ausgeführten Leistungen pauschal mit einem Betrag von 19.798.700 DM netto vergütet werden und dass hiervon ein Abgeltungsbetrag i.H.v. 1.556.763 DM netto abzuziehen ist. ...

Den Umfang der Abgeltung klarstellend, vereinbarten die Parteien unter Ziff. 3. in der Nachtragsvereinbarung vom 21.5.1996, wörtlich was folgt:

'Gewährleistungsansprüche wegen Mängel, auf die sich die vorerwähnte Abgeltung nicht bezieht, also nachträglich auftretende oder verborgene Mängel, behält sich B. nach § 13 VOB/B vor. Die vereinbarte Gewährleistungsfrist beginnt mit Wirksamwerden der heutigen Vereinbarung. Für alle Bauteile gilt, dass G. nur für Leistungen gewährleistungspflichtig ist, die G. erbracht hat oder hat erbringen lassen.' ...

Im Hinblick auf die Bauteile II bis IV waren sich die Parteien darüber einig, dass sich die Leistungspflichten der Beklagten auf die Ausführung der noch unvollendeten Rohbauleistungen beschränken sollte, und zwar einschließlich der Außendrainagen. ...

Die Beklagte führte dann ihre Arbeiten an den Bauteilen II bis IV fort. Da die Beklagte jedoch nicht in der Lage war, den reduzierten Leistungsumfang mangelfrei zu erbringen und im Gegenteil erneut zahlreiche Fehler festgestellt werden konnten, kündigte die Klägerin auch den im Wesentlichen auf die Fertigstellung der Rohbauleistungen der Bauteile II bis IV beschränkten Rumpf-Werkvertrag außerordentlich. Wegen der Abwicklung des beendeten Bauvertrages schlossen die Parteien am 6.12.1996 eine 'Abschließende Vereinbarung zum Werkvertrag vom 14.2.1994 (Bauteile I, II und IV) sowie zum Werkvertrag vom 8.3.1995 (Bauteil III) und der Nachtragsvereinbarung vom 21.5.1996'. ...

In der Vereinbarung einigten sich die Parteien im Bezug auf die Bauteile II bis IV auf den der Beklagten für die erbrachten Leistungen zustehenden Werklohn sowie wiederum auf einen Abgeltungsbetrag für einvernehmlich festgestellte Forderungen der Klägerin ggü. der Beklagten. ...

Im Übrigen regelten die Parteien in § 4.1 wörtlich:

'Mit Erfüllung dieser Vereinbarung sind sämtliche wechselseitigen Ansprüche aus den Werkverträgen und den Nachtragsvereinbarungen ... abgegolten, auch hinsichtlich Bauteil I, mit Ausnahme von Gewährleis...

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