Leitsatz (amtlich)

Die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen ist missbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG und § 242 BGB, wenn der Antragsteller versucht, den Erlass der einstweiligen Verfügung durch eine grobe Verletzung seiner prozessualen Wahrheitspflicht zu erschleichen. Das kann der Fall sein, wenn der Antragsteller seine Verpflichtung aus § 138 Abs. 1 ZPO, sich vollständig und wahrheitsgemäß zu erklären, dadurch verletzt, dass er lediglich vorträgt, der Antragsgegner habe auf Abmahnung keine Unterlassungserklärung abgegeben, und verschweigt, dass sich der Antragsgegner umfangreich dazu geäußert hat, weshalb die Abmahnung unberechtigt sei.

 

Verfahrensgang

LG München I (Aktenzeichen 33 O 2806/17)

 

Tenor

I. Die Berufungen der Antragsteller gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 14.03.2017 werden zurückgewiesen.

II. Die Antragsteller haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

 

Gründe

I. Von einem Tatbestand wird gemäß § 540 Abs. 2, § 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen.

II. Die Berufungen der Antragsteller sind zulässig, aber nicht begründet.

Die Geltendmachung der Unterlassungsansprüche in der konkreten Art und Weise im hiesigen einstweiligen Verfügungsverfahren war, soweit die Ansprüche auf UWG gestützt werden, gemäß § 8 Abs. 4 UWG, im Übrigen nach den allgemeinen Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB, vgl. BGH MMR 2012, 672 Tz. 21 - Missbräuchliche Vertragsstrafe) missbräuchlich.

1. Gemäß § 8 Abs. 4 UWG ist die Geltendmachung von lauterkeitsrechtlichen Unterlassungsansprüchen unzulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der gesamten Umstände missbräuchlich ist, insbesondere wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen.

a) Nach Auffassung des Senats ergibt sich aus den Gesamtumständen zwar nicht, dass es den Antragstellern bei Beantragung der einstweiligen Verfügung vorwiegend darum ging, Ansprüche auf Ersatz von Aufwendungen und Vertragsstrafen zu generieren. Auch wenn die in der vorformulierten Unterlassungserklärung enthaltene feste Vertragsstrafe von 20.000,00 EUR je Verstoß vergleichsweise hoch ist und die Antragsteller für ihr außergerichtliches Tätigwerden in eigener Sache bei der Abmahnung zu Unrecht Rechtsanwaltsgebühren verlangt haben, hat der Senat in Anbetracht der Gefährlichkeit der von den Antragstellern beanstandeten Äußerungen für den weiteren geschäftlichen Erfolg der Antragsteller bei der Gewinnung und Fortführung von Mandaten geschädigter Anleger keinen Zweifel daran, dass es den Antragstellern in erster Linie um die Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs selbst und nicht die Generierung von Kostenerstattungs- und Vertragsstrafenansprüchen geht.

b) Die Geltendmachung der Ansprüche ist vorliegend aber missbräuchlich, weil die Antragsteller versucht haben, den Erlass der einstweiligen Verfügung durch eine grobe Verletzung ihrer prozessualen Wahrheitspflicht zu erschleichen. Gemäß § 138 Abs. 1 ZPO haben die Parteien ihre Erklärungen über tatsächliche Umstände vollständig und der Wahrheit gemäß abzugeben. Statt in der Antragsschrift lediglich mitzuteilen, dass die Antragsgegner der Aufforderung zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung nicht nachgekommen sind, waren die Antragsteller verpflichtet, mitzuteilen, dass die Antragsgegner die Ansprüche vorprozessual zurückgewiesen haben, und das Schreiben der Antragsgegner vom 19.01.2017 (Anlage AG 2) vorzulegen. Wegen der Nichterwähnung des Antwortschreibens der Antragsgegner ist die Antragsschrift dahingehend zu verstehen, dass eine Reaktion der Antragsgegner auf die Abmahnung nicht erfolgt ist.

Dieser Verstoß gegen die prozessuale Pflicht zu vollständigen und wahrheitsgemäßen Erklärungen wiegt vorliegend deswegen besonders schwer, weil die Antragsgegner ausdrücklich den Erlass einer einstweiligen Verfügung ohne mündliche Verhandlung beantragt und ausgeführt hatten, der unkollegialen, unseriösen und rechtswidrigen Praxis der Antragsgegner sei durch sofortige einstweilige Verfügung Einhalt zu gebieten, und überdies die Antragsgegner im Schreiben vom 19.01.2017 die Antragsteller in Fettdruck darauf hingewiesen hatten, dass das Schreiben gemäß § 138 Abs. 1 ZPO, § 263 StGB dem Gericht unaufgefordert vorzulegen sei.

Dass die Antragsgegner eine Schutzschrift unter Beifügung des Schreibens vom 19.01.2017 hinterlegt hatten und das erstinstanzliche Gericht somit auch ohne Vorlage des Schreibens vom 19.01.2017 durch die Antragsteller dieses würdigen konnten, ist für die Beurteilung der Missbräuchlichkeit im vorliegenden Fall unerheblich. Die Antragsteller hatten bei Einreichung des Antrags auf Erlass der einstweiligen Verfügung am 20.01.2017 von der Hinterlegung der Schutzschrift keine Kenntnis und haben von dieser erst am 31.01.2017 erfahren. In Anbetracht des ausführlichen Schreibens vom 19.01.2017 und des ausdrücklichen Hinweises auf die Vorlagepflicht sprach aus Sicht der Antragsteller sogar viel dafür, dass die Antra...

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