Entscheidungsstichwort (Thema)
Sittenwidrigkeit, Berufung, Rechtsanwaltskosten, Annahmeverzug, Fahrzeug, Software, Feststellung, Kenntnis, betrug, Zustellung, Zahlung, Erstattung, Zeitpunkt, Beweislast, Zug um Zug, Rechtsprechung des BGH, Darlegungs- und Beweislast
Verfahrensgang
LG Ingolstadt (Urteil vom 02.12.2020; Aktenzeichen 33 O 3503/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 02.12.2020, Az. 33 O 3503/19, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von 22.025,23 EUR Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs, FIN ... zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Die Klagepartei hat von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz 60%, die Beklagte 40% zu tragen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III. Die Klagepartei hat von den Kosten des Berufungsverfahrens 38%, die Beklagte 62% zu tragen.
IV. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts, in der Fassung, die es in Ziffer I. erhalten hat, sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klagepartei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klagepartei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche, die die Klagepartei gegen die Beklagte wegen des Erwerbs eines Diesel-Pkws geltend macht.
Die vorsteuerabzugsberechtigte Klagepartei erwarb am 11.07.2012 zu einem Preis von 38.100,00 EUR netto von einem Dritten auf Bestellung ein Neufahrzeug, ... 130 kw, Erstzulassung 07.11.2012. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor EA189 ausgestattet. Die Händlermarge betrug 2.266,95 EUR. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Die Beklagte ist die Herstellerin des Pkws. Der Kilometerstand bei Erwerb betrug 0 km, zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 21.10.2020 65.786 km und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 25.07.2022 72.482 km.
Zur Abgasreinigung wird im streitgegenständlichen Fahrzeug die Abgasrückführung eingesetzt. Das Fahrzeug ist betroffen von einem Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt mit der Begründung "unzulässige Abschalteinrichtung". Die im Zusammenhang mit dem Motor (zunächst) verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.
Die Klagepartei ließ das vom Kraftfahrtbundesamt freigegebene und zur weiteren Nutzbarkeit des Fahrzeugs erforderliche Softwareupdate am 15.02.2017 aufspielen.
Mit anwaltlicher Mahnung vom 19.12.2019 forderte die Klagepartei unter Fristsetzung bis zum 27.12.2019 die Erstattung des Kaufpreises unter Abzug einer Nutzungsentschädigung mit Angabe von Kilometerleistungen (Laufleistung von 60.730 km) Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs.
Mit Klage vom 30.12.2019, anhängig am gleichen Tag, der Beklagten zugestellt am 23.03.2020, forderte die Klagepartei zuletzt die Erstattung des vollen Bruttokaufpreises zuzüglich Verzugszinsen Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs, die Feststellung von Annahmeverzug der Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeugs und die Verurteilung zur Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Die gerichtliche Vorschussanforderung erfolgte mit Verfügung vom 14.02.2020, der Klagepartei zugestellt am 21.02.2020.
Zahlungseingang erfolgte am 26.02.2020 und unter dem 11.03.2020 wurde die Klagezustellung gerichtlich verfügt.
Die Beklagte beruft sich auf Verjährung.
Ergänzend wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 02.12.2020 teilweise zugesprochen, nämlich verurteilt zur Zahlung in Höhe von 35.405,31 EUR Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs und im Übrigen die Klage abgewiesen bei einer Kostenverteilung von 22% zu Lasten der Klagepartei und 78% zu Lasten der Beklagten.
Hiergegen richtet sich die von der Beklagten eingelegte Berufung.
Die Beklagte beantragt (Schriftsatz vom 02.03.2021, Bl. 252 ff. d.A.),
das am 02.12.2020 verkündete Urteil des Landgerichts Ingolstadt, 33 O 3503/19 im Umfang der Beschwer der Beklagten abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.
Die ...