Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufung, Annahmeverzug, Rechtsanwaltskosten, Software, Fahrzeug, Kenntnis, Laufleistung, Erstattung, Feststellung, Technik, betrug, Zeitpunkt, Herausgabe, Freistellung, Zug um Zug, Herausgabe des Fahrzeugs, Erstattung des Kaufpreises
Verfahrensgang
LG Ingolstadt (Urteil vom 22.06.2020; Aktenzeichen 61 O 2120/19) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 22.06.2020, Az. 61 O 2120/19, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei einen Betrag in Höhe von 20.996,43 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 24.072,01 EUR vom 03.10.2019 bis 17.05.2020,
aus 22.534,22 EUR vom 18.05.2020 bis 17.07.2022 und aus 20.996,43 EUR seit dem 18.07.2022 Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi Q5, FIN ...352 zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, die Klagepartei von den Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.358,86 EUR freizustellen.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme des unter Ziffer I.1. bezeichneten Fahrzeugs in Verzug befindet.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
5. Die Klagepartei hat von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz 31%, die Beklagte 69% zu tragen.
II. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III. Die Klagepartei hat von den Kosten des Berufungsverfahrens 38%, die Beklagte 62% zu tragen.
IV. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts, in der Fassung, die es in Ziffer I. erhalten hat, sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch die Klagepartei durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, soweit nicht die Klagepartei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Gründe
I. Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche, die die Klagepartei gegen die Beklagte wegen des Erwerbs eines Diesel-Pkws geltend macht.
Die Klagepartei erwarb am 25.07.2012 zu einem Preis von 37.712,50 EUR brutto unmittelbar von der Beklagten ein Neufahrzeug Audi Q5, 2.0 TDI, 130 kw, Erstzulassung 01.03.2013. Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor EA189 ausgestattet. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Die Beklagte ist die Herstellerin des Pkws. Der Kilometerstand bei Erwerb betrug 0 km, zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 18.05.2020 108.509 km und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 18.07.2022 132.975 km.
Zur Abgasreinigung wird im streitgegenständlichen Fahrzeug die Abgasrückführung eingesetzt. Das Fahrzeug ist betroffen von einem Rückruf durch das Kraftfahrtbundesamt mit der Begründung "unzulässige Abschalteinrichtung". Die im Zusammenhang mit dem Motor (zunächst) verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.
Mit Schreiben vom Februar 2016 informierte die Beklagte die Klagepartei zu dem Rückruf wegen NOx-Abweichungen bei EA189 Dieselmotoren. Die Klagepartei ließ das vom Kraftfahrtbundesamt freigegebene und zur weiteren Nutzbarkeit des Fahrzeugs erforderliche Softwareupdate am 21.03.2017 aufspielen.
Mit anwaltlicher Mahnung vom 18.07.2019 forderte die Klagepartei unter Fristsetzung bis zum 05.08.2019 die Erstattung des Kaufpreises samt Zinsen unter Abzug einer Nutzungsentschädigung mit Angabe von Kilometerleistungen (aktuelle Laufleistung: 96.682 km) Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs.
Mit Klage vom 10.09.2019, der Beklagten zugestellt am 02.10.2019, forderte die Klagepartei die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Delikts- bzw. Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs, die Feststellung von Annahmeverzug der Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeugs und die Verurteilung zur Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten. Die Laufleistung gab sie mit 98.981 km an.
Die Beklagte beruft sich auf Verjährung.
Ergänzend wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 22.06.2020 teilweise zugesprochen, nämlich verurteilt zur Zahlung in Höhe von 24.072,01 EUR nebst Verzugszinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Übergabe des Fahrzeugs und Freistellung vo...