Entscheidungsstichwort (Thema)

Calciumcarbid

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einer von der Europäischen Kommission wegen eines Kartellrechtsverstoßes gegen mehrere Gesellschaften gesamtschuldnerisch festgesetzten Geldbuße ist maßgebliches Kriterium für den Innenausgleich unter den Gesamtschuldnern, welchem von ihnen die wirtschaftlichen Erfolge aus den kartellbefangenen Geschäften zuflossen.

 

Normenkette

AEUV Art. 101; BGB §§ 426, 823 Abs. 2, § 826; GWB § 33

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 13.07.2011; Aktenzeichen 37 O 20080/10)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 18.11.2014; Aktenzeichen KZR 15/12)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG München I vom 13.7.2011 wird zurückgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

III. Dieses Urteil und das Urteil des LG sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Rechtsstreit betrifft den Innenausgleich einer von der Europäischen Kommission gegen alle drei Parteien als Gesamtschuldner verhängten Kartellgeldbuße.

Die D. AG hielt mittelbar alle Anteile an der Calziumcarbid und Magnesiumgranulat (Reagenzien auf Magnesiumbasis) vertreibenden S. GmbH & Co. KG, der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1.

Seit dem 22.4.2004 nahmen Angehörige der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. an Kartellabsprachen zum Vertrieb von Calciumcarbid und seit dem 14.7.2005 an solchen zum Vertrieb von Magnesiumgranulat teil.

Mit Kaufvertrag vom 30.8.2004 (vgl. Anl. B 16) wurden die Kommanditanteile an der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. und der Geschäftsanteil an deren Komplementärin an die - damals unter A. Beteiligungsgesellschaft mbH firmierende - Beklagte zu 2. veräußert, deren Geschäftsanteile vollständig die Klägerin hielt. In der Folge trat die Beklagte zu 2. als Kommanditistin aus der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. aus, um die Kommanditanteile der Komplementärgesellschaft anwachsen zu lassen; daraus ging die Beklagte zu 1. hervor, an der die Beklagte zu 2. weiterhin alle Anteile hält. Auch nachdem die Beklagte zu 2. umfirmiert und sich in eine Aktiengesellschaft umgewandelt hatte, hielt die Klägerin bis zu deren Börsengang am 30.11.2006 noch alle Anteile an der Beklagten zu 2., danach noch 57 %. Seit dem 22.7.2007 hält die Klägerin keine Aktien der Beklagten zu 2. mehr.

Am 16.1.2007 nahm die Europäische Kommission (im Folgenden: Kommission) in dem zur streiterheblichen Geldbuße führenden Verfahren wegen der Kartellabsprachen unangemeldete Nachprüfungen bei den an den Absprachen beteiligten Unternehmen vor.

Mit Entscheidung vom 22.7.2009 - K(2009) 5791 endg. - (vgl. Anlage K 1; im Folgenden: Kommissionsentscheidung) verhängte die Kommission u.a. gegen alle drei Parteien als Gesamtschuldner eine Geldbuße von 13.300.000 EUR, weil sich die von diesen drei Unternehmen gebildete wirtschaftliche Einheit vom 30.8.2004 bis mindestens zum 16.1.2007 (an dem die unangekündigten Nachprüfungen der Kommission begannen) an einem Kartell beteiligt habe. Die Parteien reichten gegen diese Entscheidung Klagen zum Gericht der Europäischen Union ein, über die noch nicht entschieden ist. Die Klägerin zahlte an die Kommission in mehreren Teilbeträgen 6.798.012,49 EUR auf die Geldbuße und deren Verzinsung.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, im Innenverhältnis seien die Beklagten verpflichtet, die Geldbuße allein zu tragen; gegen die Beklagte zu 1. ergebe sich ein solcher Anspruch auch aus § 33 Abs. 3 GWB und gegen die Beklagte zu 2. zudem aus § 826 BGB. Die Klägerin hat vor dem LG - soweit für das Berufungsverfahren noch von Bedeutung - beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 6.798.012,49 EUR nebst Zinsen zu verurteilen. Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten.

Mit Urteil vom 13.7.2011, auf dessen tatsächliche Feststellungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das LG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass der Klägerin unabhängig vom Bestand der Kommissionsentscheidung kein Ausgleichsanspruch zustehe; nach den der Kommissionsentscheidung zugrunde liegenden Wertungen ergebe sich aus § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB, dass die Beklagten im Innenverhältnis die Geldbuße nicht zu tragen hätten. Der Klägerin stünden auch keine Ansprüche aus § 33 Abs. 3 GWB oder § 826 BGB zu.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen die Abweisung ihrer Zahlungsanträge. Sie wiederholt und vertieft ihr Vorbringen aus dem ersten Rechtszug und beantragt, das landgerichtliche Urteil abzuändern und die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie

a) 6.798.012,49 EUR nebst

b) Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils aus 500.000 EUR seit dem 3.12. und 29.12.2009 sowie jeweils aus 1.000.000 EUR seit dem 1.4., 31.7. und 2.10.2010 sowie aus 2.79...

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