Leitsatz (amtlich)
Zum Gesamtschuldnerinnenausgleich bei einer von der Europäischen Kommission wegen eines Kartellrechtsverstoßes gegen mehrere Gesellschaften festgesetzten Geldbuße.
Normenkette
BGB § 426 Abs. 1
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 37 O 20080/10) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts vom 13. Juli 2011 dahin abgeändert, dass es lautet wie folgt:
1. Die Beklagte zu 2. wird verurteilt, an die Klägerin 3.550.000,- EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Dezember 2010 zu zahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Gerichtskosten im ersten Rechtszug haben die Klägerin 87,5 % und die Beklagte zu 2. 12,5 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im ersten Rechtszug hat die Beklagte zu 2. 12,5 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. im ersten Rechtszug hat die Klägerin zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. im ersten Rechtszug hat die Klägerin 75 % zu tragen.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Anschlussberufung der Beklagten zu 1. wird verworfen.
III. Von den Gerichtskosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin 34 %, die Beklagte zu 1. 54 % und die Beklagte zu 2. 12 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren haben die Beklagte zu 1. 54 % und die Beklagte zu 2. 12 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. im Berufungsverfahren hat die Klägerin 46 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. im Berufungsverfahren hat die Klägerin 48 % zu tragen.
Von den Gerichtskosten des Revisionsverfahrens haben die Klägerin 74 % und die Beklagte zu 2. 26 % zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Revisionsverfahren hat die Beklagte zu 2. 26 % zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. im Revisionsverfahren hat die Klägerin zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 2. im Revisionsverfahren hat die Klägerin 74 % zu tragen.
IV. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts gemäß Ziffer I. sind vorläufig vollstreckbar Jede Partei kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 115 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
Teil 1 Der Rechtsstreit betrifft den Innenausgleich einer von der Europäischen Kommission gegen alle drei Parteien des Rechtsstreits als Gesamtschuldner verhängten Kartellgeldbuße.
Seit dem 22. April 2004 nahmen für die Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. deren Geschäftsführer, der Zeuge Dr. L., deren Verkaufsleiter, der Zeuge N., und später auch deren Marketingmanager, der Zeuge G., an Kartellabsprachen zum Vertrieb von Calciumcarbid und seit dem 14. Juli 2005 an solchen zum Vertrieb von Magnesiumgranulat teil.
Mit Kaufvertrag vom 30. August 2004 (vgl. Anl. B 16) wurden die Kommanditanteile an der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. und der Geschäftsanteil an deren Komplementärin an die der Klägerin gehörende Beklagte zu 2. veräußert. In der Folge trat die Beklagte zu 2. als Kommanditistin aus der Rechtsvorgängerin der Beklagten zu 1. aus, um die Kommanditanteile der Komplementärgesellschaft anwachsen zu lassen; daraus ging die Beklagte zu 1. hervor, an der die Beklagte zu 2. weiterhin alle Anteile hält. Auch nachdem die Beklagte zu 2. umfirmiert und sich in eine Aktiengesellschaft umgewandelt hatte, hielt die Klägerin bis zu deren Börsengang am 30. November 2006 noch alle Anteile an der Beklagten zu 2., danach noch 57 %. Seit dem 22. Juli 2007 hält die Klägerin keine Anteile an der Beklagten zu 2. mehr.
Die Kommission der Europäische Gemeinschaften (im Folgenden: Kommission) verhängte mit Entscheidung vom 22. Juli 2009 - COMP/39.396, K(2009) 5791 endg. - (vgl. Anlage K 1; im Folgenden: Kommissionsentscheidung) unter anderem eine Geldbuße von 13.300.000,- EUR gegen die Klägerin, die Beklagte zu 1. und die Beklagte zu 2. als Gesamtschuldner, weil sich die von diesen drei juristischen Personen gebildete wirtschaftliche Einheit an dem Kartell zum Vertrieb von Calciumcarbid und Magnesiumgranulat beteiligt habe.
Die Klägerin zahlte an die Kommission 6.600.000,- EUR auf die Geldbuße und 198.012,49 EUR auf Zinsen (vgl. S. 10 d. klägerischen Schriftsatzes v. 28. Februar 2011 = Bl. 87 d. A.).
Die Beklagte zu 1. zahlte am 31. August 2016 an die Kommission 6.700.000,- EUR auf die Geldbuße sowie 1.147.260,27 EUR auf Zinsen.
Die Klägerin hat ihre am 26. Oktober 2010 eingereichte und am 1. Dezember 2010 zugestellte Klage auf Erstattung des von ihr bis dahin geleisteten Betrags von 4.000.000,- EUR nebst Zinsen sowie Freistellung von weiteren Zahlungsansprüchen der Kommission zunächst nur gegen die Beklagte zu 1. gerichtet. Mit Schriftsatz vom 16. November 2010 (Bl. 22 ff. d. A.), der Beklagten zu 2. zugestellt am 6. Dezember 2010, hat sie die Klage ...