Entscheidungsstichwort (Thema)
Ehescheidung: Zulässig der Abtrennung einer Folgesache wegen unzumutbarer Härte
Leitsatz (redaktionell)
1. Kann über eine Folgesache – hier den Zugewinnausgleich – noch nicht entschieden werden, liegt auch bei einer außergewöhnlichen Verzögerung des Scheidungsverfahrens eine unzumutbare Härte nur dann vor, wenn das Interesse der Antragstellerin an einer alsbaldigen Scheidung vorrangig vor dem Interesse des Antragsgegners daran ist, dass gleichzeitig mit der Scheidung über die Folgesache entschieden wird.
2. Besteht eine Schwangerschaft, aufgrund derer die erste Instanz die Folgesache abgetrennt hatte, wegen einer Fehlgeburt im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Berufungsverfahrens nicht fort, entfällt eine unzumutbare Härte wegen einer bestehenden Schwangerschaft.
3. Kommt die Antragstellerin ihrer Auskunftsverpflichtung nicht hinreichend nach und verzögert damit das Verfahren, kann sie sich nicht darauf berufen, der Antragsgegner betreibe eine Verzögerung.
Normenkette
BGB §§ 242, 1373, 1375 Abs. 2 Nr. 3; ZPO § 621 Abs. 1 Nr. 8, § 623 Abs. 1, § 628 S. 1 Nr. 4
Verfahrensgang
AG Landsberg a. Lech (Urteil vom 06.11.2006; Aktenzeichen 1 F 270/03) |
Tenor
Auf die Berufung des Antragsgegners wird das Endurteil des AG Landsberg am Lech vom 6.11.2006 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.
Gründe
I. Gegenstand des Verfahrens ist die Scheidung der Parteien. Wegen des Tatbestandes wird auf die Feststellungen des angefochtenen Endurteils vom 6.11.2006 verwiesen (§ 540 I 1 ZPO).
Der Scheidungsantrag ist dem Antragsgegner am 2.5.2003 zugestellt worden. Der Antragsgegner kündigte mit Schriftsatz vom 16.5.2003 an, ebenfalls Scheidungsantrag zu stellen. Im Termin vom 16.10.2006 nahm er diesen Scheidungsantrag zurück und beantragte, den Scheidungsantrag der Antragstellerin zurückzuweisen. Die Antragstellerin stimmte der Rücknahme des Scheidungsantrags nicht zu. Die Parteien leben seit Juni 2002 getrennt und halten ihre Ehe übereinstimmend für gescheitert.
Der Antragsgegner erhob am 8.10.2003 im Wege der Stufenklage Klage zum Ausgleich des Zugewinns. Unter Hinweis auf die von ihr erteilte Auskunft über ihr Endvermögen vom 25.11.2003 forderte die Antragstellerin den Antragsgegner mit Schriftsatz vom 7.4.2004 auf, seine Klage auf Ausgleich des Zugewinns zu beziffern. Mit Schriftsatz vom 26.1.2005 teilte der Antragsgegner mit, seinen Leistungsantrag auf Zugewinn nicht zu beziffern, da die Auskunft der Antragstellerin nicht ausreichend sei. Mit Schriftsatz vom 12.12.2005 kündigte er (informell) an, einen Zugewinnausgleich von 100.417,34 EUR zu fordern. Die Antragstellerin erhob am 8.9.2004 Klage auf Ausgleich des Zugewinns i.H.v. 27.478,07 EUR.
Mit Teilanerkenntnisurteil vom 12.12.2005 hat das AG die Antragstellerin zur Auskunft über ihr Endvermögen zum Stichtag 2.5.2003 verurteilt und aufgegeben, dass das Bestandsverzeichnis von der Antragstellerin durch Unterschrift mit dem Vermerk der Richtigkeit und Vollständigkeit versehen wird. Die Parteien schlossen zudem eine Zwischenvereinbarung über den freihändigen Verkauf des Eheanwesens. Die Antragstellerin legte unter dem 8.1.2006 eine weitere "Vermögensaufstellung zur Zugewinnberechnung" vor. Der Aufstellung ist nicht der Stichtag zu entnehmen. Auch fehlt der Vermerk der Vollständigkeit und Richtigkeit der Auskunft.
Mit Endurteil vom 6.11.2006 hat das AG die Ehe der Parteien geschieden, den Versorgungsausgleich geregelt und die Folgesache Zugewinn abgetrennt. Die Abtrennung der Folgesache Zugewinn begründet das AG mit der langen Verfahrensdauer, der Schwangerschaft der Antragstellerin sowie der Notwendigkeit weiterer Beweiserhebungen wegen des Anfangsvermögens des Antragsgegners.
Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit Berufung und beantragt, das Endurteil vom 6.11.2006 aufzuheben, den Scheidungsantrag abzuweisen und das Verfahren an das AG Landsberg am Lech zurückzuverweisen.
Der Antragsgegner möchte nicht vor Ablauf des Jahres 2006 geschieden werden, um eine ungekürzte Pension zu erhalten. Er bestreitet die Schwangerschaft der Antragstellerin. Die Antragstellerin wolle eine schnelle Scheidung durchsetzen, um bezüglich des gemeinsamen Hausanwesens ein Zwangsversteigerungsverfahren durchsetzen zu können. Eine stichtagsbezogene Auskunft über ihr Endvermögen habe die Antragstellerin bislang nicht vorgelegt.
Die Antragstellerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Der Antragsgegner verzögere das Verfahren. Er beziffere trotz gerichtlicher Aufforderung weder seine Zugewinnausgleichsklage noch erfülle er seine Verpflichtung aus der Zwischenvereinbarung vom 12.12.2005.
II. Das Endurteil des AG Landsberg am Lech vom 6.11.2006 ist aufzuheben und an dieses Gericht zurückzuverweisen (§§ 538 II Nr. 7, 562, 563 I ZPO; BGH, FamRZ 1979, 690; FamRZ 1986, 898 m.w.N.; OLG Stuttgart FamRZ 2005, 121; OLG Nürnberg FamRZ 2005, 1497). Das AG hat entgegen § 623 I 1 ZPO vorweg über die Scheidung entschieden, ohne die ...