Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadenersatzanspruch in Folge Abgasskandal - Minderwert des Fahrzeugs
Normenkette
BGB § 241 Abs. 2, § 311 Abs. 3, § 438 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 3, § 826; KraftStG § 2 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
LG Ingolstadt (Urteil vom 29.04.2019; Aktenzeichen 53 O 1107/18) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 29.04.2019, Az. 53 O 1107/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird hinsichtlich der Beklagten zu 2) zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht einen Anspruch auf Minderung bzw. Schadensersatz in Höhe des merkantilen Minderwerts sowie einen Anspruch auf Feststellung der Ersatzpflicht weiterer Schäden gegen den Verkäufer (der seine Verkäufereigenschaft bestritten hat) und den Hersteller eines vom sogenannten "Abgasskandal" betroffenen Fahrzeugs geltend. Der Kläger hatte am 11.05.2009 bei der Beklagten zu 1) einen VW Golf GTD 2,0 l TDI für 26.940 EUR als Neuwagen bestellt, der ihm am 17.04.2010 übergeben wurde. Der Kilometerstand des Fahrzeugs betrug am 01.04.19 nach Angaben des Klägers 174.992 km.
Zum Zeitpunkt des Kaufs befand sich in dem Fahrzeug eine Software zur Abgassteuerung, die erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus unterzogen wird. Es wird in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1 geschaltet, einen Stickoxidoptimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstandes schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist.
Das vom Kraftfahrbundesamt freigegebene Softwareupdate wurde zunächst nicht aufgespielt, in der Berufungsinstanz hat der Kläger allerdings vorgetragen, "das Update sei aufgespielt" (Schriftsatz vom 07.05.2020, S. 4 = Bl. 711 d.A.).
Mit Schreiben vom 14.11.17 (Anlage K 1a) forderte der Kläger - anwaltlich vertreten - in Ausübung seines Wahlrechts Nachlieferung von der Beklagten zu 1), was diese zurückwies.
Der Kläger ist der Auffassung, gegenüber der Beklagten zu 1) bestehe ein Anspruch aus Gewährleistungsrecht, der nicht verjährt sei, sowie ein vorvertraglicher Schadensersatzanspruch. Die Beklagte zu 2) sei im Rahmen eines deliktischen Schadensersatzanspruches verpflichtet, der Klägerseite einen durch die Abgasmanipulation entstandenen merkantilen Minderwert des Fahrzeugs von mindestens 25% zu erstatten sowie etwaige weitere Schäden. Die Beklagte zu 2) hätte sittenwidrig gehandelt, es bestehe daher ein Schadensersatzanspruch nach § 826 BGB. Der Kläger hätte das Fahrzeug nicht gekauft, wenn er von dem Mangel Kenntnis gehabt hätte.
Die Beklagte zu 1) hat ihre Haftung unter Hinweis auf die mangelnde Verkäufereigenschaft bestritten und die Einrede der Verjährung erhoben. Sie bestreitet - wie auch die Beklagte zu 2) - unter anderem die Aktivlegitimation des Klägers. Der Kläger sei nicht (mehr) Eigentümer des Fahrzeugs, zudem sei der Wagen kreditfinanziert gewesen.
Die Beklagte zu 2) bestreitet, dass sie - aus welchem Rechtsgrund auch immer - haftbar sei. Sie ist insbesondere der Auffassung, der Kläger habe keinen Schaden erlitten. Die Klage sei bereits deshalb abzuweisen, weil im Falle eines Schadens sowieso nur das negative Interesse verlangt werden könne. Einen Anspruch auf Rückabwicklung mache der Kläger aber nicht geltend. Der Feststellungsantrag sei bereits unzulässig.
Das Landgericht hat mit Urteil vom 29.04.2019 die Klage abgewiesen und zwar die Anträge zu Ziffern 1. und 3. als unbegründet und den Feststellungsantrag zu Ziffer 2. als unzulässig. Zum Feststellungsantrag habe der Kläger trotz gerichtlichen Hinweises nicht substantiiert dargelegt, welche Schäden er befürchte. Die Klage sei im übrigen unbegründet. Deliktische Ansprüche würden ausscheiden, da der Kläger seine bestrittene Eigentümerstellung nicht nachgewiesen habe und nach Deliktsrecht der Ersatz eines merkantilen Minderwertes nicht geschuldet sei. Ansprüche gegen die Beklagte zu 1), die sich als Verkäuferin behandeln lassen müsse, seien verjährt.
Hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen wird ergänzend gemäß § 540 ZPO auf das Urteil Bezug genommen.
In der Berufungsinstanz verfolgt der Kläger sein Anliegen weiter. Er sei der Käufer des Fahrzeugs und damit auch aktivlegitimiert, zudem sei er nach wie vor Eigentümer des Wagens. Ein Schadensersatzanspruch gegenüber den Beklagten zu 2) sei nicht zwingend auf Rückabwicklung des Kaufvertrags ausgerichtet. Vielmehr habe der Kläger ein wertgemindertes Fahrzeug erhalten. Dieser Vermögensschaden wäre ohne die Täuschung nicht eingetreten und sei zu ersetzen.
Aus Gewährleistungsrecht bestehe ein Minderungsanspruch gegenüber der Beklagten zu 1). Hinsichtlich der Beklagten zu 1) ...