Leitsatz (amtlich)
Der Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit eines GmbH-Gesellschafters, der durch ein gesellschaftsvertragliches Wettbewerbsverbot bewirkt wird, das in gegenständlicher Hinsicht über die schützenswerten Interessen der Gesellschaft hinausgeht und den verpflichteten Gesellschafter übermäßig beschränkt, kann nicht durch eine gesellschaftsvertragliche Regelung gerechtfertigt werden, wonach durch Gesellschafterbeschluss Befreiung von dem Wettbewerbsverbot erteilt werden kann.
Normenkette
BGB § 138 Abs. 1; GG Art. 12 Abs. 1; GWB § 1
Verfahrensgang
LG Landshut (Urteil vom 10.02.2010; Aktenzeichen 1HK O 56/09) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Landshut vom 10.2.2010 wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung abwenden durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des vollstreckbaren Betrages, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Klägerin, eine Holdinggesellschaft mit beschränkter Haftung, macht gegen den Beklagten, der Gesellschafter der Klägerin mit einem Stammkapitalanteil von 20 % ist, einen Vertragsstrafenanspruch gem. § 15.5 i.V.m. § 15.2 des Gesellschaftsvertrags vom 9.7.2005 (Anlage K1) wegen Verstoßes gegen ein Wettbewerbsverbot durch Entwicklung und Vertrieb eines angeblichen Konkurrenzproduktes (Gerät P. N. -01 PC) im Zeitraum 27.10.2008 bis 31.12.2008 geltend.
§ 15 des Gesellschaftsvertrags vom 9.7.2005 (Anlage K 1) lautet auszugsweise wie folgt:
"2. Alle Gesellschafter unterliegen in ihrer Eigenschaft als Gesellschafter nach Maßgabe der folgenden Vorschriften einem Wettbewerbsverbot; ebenso unterliegen alle Geschäftsführer - vorbehaltlich anderweitiger Vereinbarungen im Zusammenhang mit deren Anstellungs- oder Dienstverträgen - einem Wettbewerbsverbot. Dementsprechend ist es den Gesellschaftern und den Geschäftsführern nicht gestattet, unmittelbar oder mittelbar, in eigenem oder fremdem Namen, für eigene oder fremde Rechnung, selbständig oder unselbständig in einem Betrieb tätig zu sein, der dem Betrieb einer Tochter- oder Beteiligungsgesellschaft der Gesellschaft gleichartig ist oder mit ihm im Wettbewerb steht oder stehen könnte oder im Wesentlichen Umfang Geschäftsbeziehungen mit einer Tochter- oder Beteiligungsgesellschaft unterhält. Wesentlich in diesem Sinne sind Geschäftsbeziehungen mit Leistungsvergütungen im Wert von mindestens EUR 10.000p. a. Unzulässig ist insoweit auch eine freiberufliche oder beratende Tätigkeit. In gleicher Weise ist ihnen untersagt, sich an einem solchen Betrieb zu beteiligen oder einen solchen Betrieb zu beraten oder ihn in anderer Weise zu fördern, auch nicht mittelbar, nicht vorübergehend gelegentlich oder unentgeltlich.
4. Räumlich ist das Wettbewerbsverbot auf eine Tätigkeit in der Europäischen Union, Nordamerika und Asien beschränkt, da die Gesellschafter einvernehmlich davon ausgehen, dass dort die Hauptaktivitäten der Tochter- oder Beteiligungsgesellschaften der Gesellschaft sein werden.
5. Durch Gesellschafterbeschluss kann Befreiung von dem vorstehenden Wettbewerbsverbot erteilt werden. Im Falle eines Verstoßes gegen das vorgenannte Wettbewerbsverbot hat der Zuwiderhandelnde für jeden Fall des Verstoßes eine Vertragsstrafe von EUR 50.000 zu zahlen. Je zwei Wochen eines fortgesetzten Verstoßes gelten als selbständiger und unabhängiger Verstoß. Das Recht, Schadensersatz oder Unterlassung zu verlangen, wird durch die Zahlung der Vertragsstrafe nicht berührt; sie wird jedoch auf den Schadensersatz angerechnet.
Statt Schadensersatz und Vertragsstrafe kann die Gesellschaft nach ihrer Wahl auch die Rechte des § 113 HGB geltend machen, die insoweit ausdrücklich für anwendbar erklärt werden."
Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Teilbetrag einer Vertragsstrafe i.H.v. 200.000 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit der Zustellung der Klage zu zahlen.
Der Beklagte hat in erster Instanz Klageabweisung beantragt.
Das LG hat die Klage mit Urteil vom 10.2.2010 mit der Begründung abgewiesen, das vereinbarte Wettbewerbsverbot sei in seiner umfassenden Wirkung nichtig, da es zum einen gegen § 1 GWB, zum anderen gegen das Grundrecht der freien Berufsausübung verstoße.
Auf dieses Urteil wird einschließlich der darin getroffenen tatsächlichen Feststellungen Bezug genommen.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin.
Die Klägerin beantragt in der Berufungsinstanz:
I. Das Endurteil des LG Landshut vom 10.2.2010 AZ.: 1 HK O 56/09, zugestellt am 12.2.2010, wird aufgehoben.
II. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen Teilbetrag einer Vertragsstrafe i.H.v. 200.000 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 % über dem jeweiligen Basiszinssatz seit der Zustellung der Klage zu zahlen.
Hilfsweise beantragt die Klägerin in der Berufungsinstanz, unter Aufheb...