Entscheidungsstichwort (Thema)
Unrichtigkeit der Beweiswürdigung - schuldhafter Verursachungsbeitrag eines Unfallbeteiligten
Normenkette
EGZPO § 26 Nr. 8; GKG §§ 40, 47 Abs. 1 S. 1, § 48 Abs. 1 S. 1, § 63 Abs. 2 S. 1; StVG § 17 Abs. 1-2; StVO § 7 Abs. 5; ZPO § 92 Abs. 2 Nr. 1, § 100 Abs. 4, § 313 a Abs. 1 S. 13, § 313b Abs. 1 S. 1, § 529 Abs. 1 Nr. 1, § 540 Abs. 2, § 543 Abs. 2 S. 1, § 708 Nr. 10, §§ 711, 713
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 24.08.2017; Aktenzeichen 19 O 22560/16) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin vom 08.09.2017 wird das Endurteil des LG München I vom 24.08.2017 abgeändert und wie folgt neugefasst:
I. Die Beklagten werden verurteilt, samtverbindlich an die B. Bank GmbH zur Leasingnummer ...403 und der Kundennummer ...3,56 EUR sowie an die Klägerin 362,75 EUR, jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 28.11.2016, zu zahlen.
II. Die Beklagten werden weiterhin verurteilt, samtverbindlich an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 679,10 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 31.01.2017 zu zahlen. Der Beklagte zu 1) wird darüber hinaus verurteilt, an die Klägerin Zinsen aus 679,10 EUR in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz für die Zeit vom 29.01.2017 bis zum 30.01.2017 zu zahlen.
III. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
IV. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Rechtsstreits (erster Instanz).
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 8% und die Beklagten samtverbindlich 92%.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
6. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 4.384,84 EUR festgesetzt.
Gründe
A. Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO sowie §§ 540 II, 313 b I 1 ZPO).
B. I. Die statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung hat in der Sache überwiegend Erfolg. Zwar ist das Ersturteil nicht dahingehend zu beanstanden, dass sich das Landgericht keine Überzeugung von einem schuldhaften Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1) gebildet hat. Allerdings hat das Erstgericht übersehen, dass es hinsichtlich der von der Klägerin in gewillkürter Prozessstandschaft geltend gemachten Ansprüche an einer Norm fehlt, wonach sich die den Pkw nicht haltende (Sicherungs-)Eigentümerin die allgemeine Betriebsgefahr ihres Pkws zurechnen lassen müsste.
1.) Soweit sich das Erstgericht keine Überzeugung von einem schuldhaften Verursachungsbeitrag des Beklagten zu 1) gebildet hat, ist dies - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht zu beanstanden.
a) Der Senat ist gem. § 529 I Nr. 1 ZPO an die vom Landgericht in nicht zu beanstandender Weise festgestellten Tatsachen gebunden. Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Beweiswürdigung sind ein unrichtiges Beweismaß, Verstöße gegen Denk- und Naturgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze, Widersprüche zwischen einer protokollierten Aussage und den Urteilsgründen sowie Mängel der Darstellung des Meinungsbildungsprozesses wie Lückenhaftigkeit oder Widersprüche, vgl. z.B. BGH VersR 2005, 945. Konkreter Anhaltspunkt in diesem Sinn ist jeder objektivierbare rechtliche oder tatsächliche Einwand gegen die erstinstanzlichen Feststellungen (BGHZ 159, 254 [258]); bloß subjektive Zweifel, lediglich abstrakte Erwägungen oder Vermutungen der Unrichtigkeit ohne greifbare Anhaltspunkte genügen nicht (BGH, a. a. O). Ein solcher konkreter Anhaltspunkt für die Unrichtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung ist von der Berufung nicht aufgezeigt worden. Es ist zwar möglich, dass sich der Unfall noch während des Fahrstreifenwechsels des Beklagten zu 1) ereignet hat. Ebenso möglich ist es aber auch, dass dieser Fahrstreifenwechsel zum Kollisionszeitpunkt bereits abgeschlossen war und der Kollisionswinkel auf einer leichten Lenkbewegung des klägerischen Fahrers nach rechts beruhte. Entgegen der Ansicht der Beklagten wäre eine solche Lenkbewegung auch nicht unbedingt lebensfremd, geht man nämlich, wie auch im Ersturteil erörtert, davon aus, dass der sich mit hoher Differenzgeschwindigkeit nähernde klägerische Fahrer zunächst nach links auswich, dann aber angesichts der sich dort befindlichen Betonseitenwand wieder nach rechts lenkte.
b) Aufgrund der vom Erstgericht festgestellten Tatsachen kann dem Beklagten zu 1) kein schuldhafter Verursachungsbeitrag nachgewiesen werden, nicht im Wege des Vollbeweises, aber - entgegen der Auffassung der Klägerin - auch nicht im Wege des Anscheinsbeweises. Denn die Anwendung des Anscheinsbeweises setzt voraus, dass das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür ist, dass derjenige Verkehrsteilnehmer, zu dessen Lasten der Anscheinsbeweis Anwendung finden soll, schuldhaft gehandelt hat (vgl. BGH, Urteil vom 13.12.2011, Az....