Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhalt: Untergrenze des eheangemessenen Selbstbehalts bei Rentnern
Leitsatz (redaktionell)
Bei Rentnern ist als Untergrenze des eheangemessenen Selbstbehalts in der Regel der angemessene Selbstbehalt eines Volljährigen, derzeit 1.100,00 EUR, anzusetzen. Dies gilt insbesondere bei kurzer und kinderloser Ehe.
Normenkette
BGB § 1581
Verfahrensgang
AG Erding (Urteil vom 31.03.2005; Aktenzeichen 3 F 459/03) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Antragsgegners wird das Endurteil des AG Erding vom 31.3.2005 in Ziff. 3 dahin abgeändert, dass der Antragsgegner verurteilt wird, an die Antragstellerin ab Rechtskraft der Scheidung einen monatlichen nachehelichen Unterhalt von 361 EUR zu zahlen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die seit 29.5.1993 miteinander verheirateten Parteien streiten im Scheidungsverbund um nachehelichen Unterhalt.
Der Antragsgegner bezieht eine Altersrente von monatlich 1.032,60 EUR, die Antragstellerin eine Erwerbsminderungsrente von monatlich 90,68 EUR. Der Antragsgegner hat das Erbbaurecht an einem Haus, das er nach Trennung von der Antragstellerin am 8.10.2002 und seit dem Tod seiner Mutter am 13.5.2004 allein bewohnt.
In erster Instanz hat die Antragstellerin monatlichen nachehelichen Unterhalt von 712,01 EUR geltend gemacht. Der Antragsgegner hat den Anspruch i.H.v. monatlich 361 EUR anerkannt und im Übrigen Abweisung des Antrags beantragt.
Mit Anerkenntnis- und Endurteil vom 31.3.2005 hat das AG Erding die Ehe der Parteien geschieden, hat den Versorgungsausgleich dergestalt geregelt, dass es zugunsten der Antragstellerin i.H.v. 37,26 EUR das Rentensplitting und i.H.v. 5,38 EUR das erweiterte Splitting gem. § 3b Abs. 1 Nr. 1 VAHRG angeordnet hat, und hat den Antragsgegner zur Zahlung eines nachehelichen Unterhalts von monatlich 650 EUR verurteilt. Hierbei ist es von einem Renteneinkommen des Antragsgegners von 1.115,95 EUR und von einem Wohnvorteil von 300 EUR abzgl. Hauslasten von 25,83 EUR sowie von einem Renteneinkommen der Antragstellerin von 90,82 EUR ausgegangen.
Mit der Berufung begehrt der Antragsteller Aufhebung dieser Entscheidung, soweit er zur Zahlung eines höheren Unterhalts als monatlich 361 EUR verurteilt wurde.
Die Antragstellerin beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II. Die zulässige Berufung ist begründet.
Mit der Berufung rügt der Antragsgegner zu Recht, dass im Ersturteil die Verringerung seines Renteneinkommens infolge des Versorgungsausgleichs um monatlich 42,64 EUR nicht berücksichtigt wurde. Von der nachgewiesenen Nettorente von 1.032,60 EUR verbleiben ihm daher nur 989,96 EUR monatlich (1.032,60 - 42,64). Hiervon gehen die ehelichen Verhältnisse prägende Belastungen i.H.v. 13,72 EUR für die Zahlung des Erbbauzinses und von 61,36 EUR für die Rückzahlung eines Bauspardarlehens ab, so dass von einem bereinigten Einkommen des Antragsgegners von 914,88 EUR auszugehen ist.
Darüber hinaus ist bei dem vom AG festgesetzten Unterhalt von 650 EUR der dem Antragsgegner zuzubilligende angemessene Selbstbehalt gem. § 1581 BGB nicht gewahrt. Dieser ist nur in Einzelfällen auf den notwendigen Selbstbehalt zu begrenzen (BGH v. 18.10.1989 - IVb ZR 89/88, MDR 1990, 422 = FamRZ 1990, 260 ff.) und liegt im Falle des nachehelichen Unterhalts zwischen zwei Rentnern in der Regel bei dem für den Verwandtenunterhalt geltenden angemessenen Selbstbehalt (Gerhardt, FA-FamR, 5. Aufl., Kap. 6, Rz. 434, m.w.N.). Letzterer ist derzeit mit 1.100 EUR anzusetzen (vgl. SüdL Nr. 21.3.1). Berücksichtigt man vorliegend bei der gem. § 1581 BGB vorzunehmenden Billigkeitsabwägung, dass die kinderlose Ehe der Parteien von verhältnismäßig kurzer Dauer war, so erscheint nur ein Selbstbehalt in dieser Höhe angemessen. Die Antragstellerin hat zwar nur geringe eigene Renteneinkünfte, ist aber im Rentenfall durch die Grundsicherung nach §§ 43 ff. SGB XII abgesichert. Insoweit kann sie nicht als ähnlich hilflos wie ein minderjähriges Kind angesehen werden, was nach BGH notwendig wäre, um beim Ehegattenunterhalt den notwendigen Selbstbehalt als Untergrenze anzusehen (BGH v. 18.10.1989 - IVb ZR 89/88, MDR 1990, 422 = FamRZ 1990, 260 ff.; vgl. auch SüdL Nr. 21.4). Unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Eigenverantwortung ist deshalb bei Rentnern mit einer Ehedauer von nur 10 Jahren ohne eigene Kinder regelmäßig der angemessene Selbstbehalt nach § 1603 Abs. 1 BGB als Untergrenze der Leistungsfähigkeit anzusehen.
In diesem ist ein Anteil für Unterkunft und Heizung von 450 EUR enthalten (vgl. SüdL Nr. 21.3.1). Dies bedeutet, dass dem Antragsgegner nach Abzug des zu zahlenden Unterhalts ein Barbetrag von 650 EUR zu verbleiben hat (1.100 - 450). Bei einem Einkommen von 914,88 EUR ist er daher nur i.H.v. 265 EUR leistungsfähig (914,88 - 650 = 264,88). Dieser Betrag liegt um 96 EUR unter dem anerkannten Unterhalt von 3...