Normenkette
StVG §§ 7, 17, 17 Abs. 3, § 18 Abs. 1 S. 2; VVG § 115 Abs. 1 S. 1, § 4; StVO § 3 Abs. 1 S. 2, §§ 4, 9 Abs. 5, § 9; GKG § 21 Abs. 1 S. 1; ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1; StVG § 18 Abs. 1
Tenor
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 8.275,73 EUR festgesetzt
Gründe
A. Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall geltend, wobei sie je zwei Drittel der Reparaturkosten, der Wertminderung, der Sachverständigenkosten und der Unkostenpauschale erstattet erhalten will.
Zugrunde liegt ein Zusammenstoß am 17.11.2014 gegen 05.07 Uhr zwischen dem Sattelzug MAN der Klägerin, amtliches Kennzeichen... 60 (Zugmaschine) und... 61 (Anhänger) und dem von der Beklagten zu 1) gefahrenen, bei der Beklagten zu 2) versicherten Pkw Ford Fiesta, amtliches Kennzeichen... 62, auf der Bundesstraße 15 im Gemeindegebiet von... D. bei Kilometer 1.300. Hinsichtlich des Parteivortrags und der tatsächlichen Feststellungen erster Instanz wird auf das angefochtene Urteil vom 15.05.2015 (Bl. 20/23 d.A.) Bezug genommen (§ 540 I 1 Nr. 1 ZPO).
Das LG Landshut hat ohne Beweisaufnahme die Klageforderung zu einem Viertel zugesprochen und im Übrigen abgewiesen, weil die Abwägung der Verursachungsbeiträge und (Mit-)Verschuldensanteile diese Verteilung zur Folge habe. Hinsichtlich der Erwägungen des LG wird auf die Entscheidungsgründe (Bl. 21/23 d.A.) des angefochtenen Urteils verwiesen.
Gegen dieses ihnen am 15.06.2015 zugestellte Urteil haben die Beklagten mit beim Oberlandesgericht München am 23.06.2015 eingegangenen Schriftsatz vom gleichen Tag Berufung eingelegt (Bl. 27/28 d.A.) und diese mit Schriftsatz vom 04.09.2015, eingegangen am gleichen Tag begründet (Bl. 36/37 d.A.).
Die Beklagten beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Sie hat mit Schriftsatz vom 05.10.2015, eingegangen beim Oberlandesgericht München am gleichen Tag (Bl. 41/43 d.A.), Anschlussberufung eingelegt und beantragt, die Beklagten samtverbindlich zu einem verzinsten Ersatzbetrag von insgesamt 8.275,73 EUR zu verurteilen, zuzüglich hieraus zu errechnender weiterer vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Die Anschlussberufung wurde mit dem gleichen Schriftsatz begründet, die Beklagten haben hierauf mit Schriftsatz vom 22.10.2015 (Bl. 47/48 d.A.) erwidert.
Der Senat hat gemäß Beschluss vom 07.10.2015 mit Zustimmung der Parteien schriftlich entschieden, § 128 II ZPO; als Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können, wurde der 30.10.2015 bestimmt (Bl. 44/45 d.A.). Beide Parteien haben hilfsweise beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückzuverweisen (Schriftsatz v. 23.09.2015, Bl. 40 d.A.; Schriftsatz v. 05.10.2015, Bl. 41/43 d.A.).
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und die Hinweisverfügung des Senatsvorsitzenden vom 08.09.2015 (Bl. 38/39) Bezug genommen. Von weiterer Darstellung der Einzelheiten der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313a I 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO).
B. Die statthaften, sowie form- und fristgerecht eingelegten und begründeten, somit zulässigen Berufung und Anschlussberufung haben in der Sache jedenfalls vorläufig Erfolg.
I. Das LG hat entschieden, dass grundsätzlich Schadensersatzansprüche der Klägerin aus straßenverkehrsrechtlicher Gefährdungshaftung (§§ 7, 17 StVG, 115 I 1, 4 VVG) gegen die Beklagten bestehen, jedoch Verstöße des klägerischen Fahrers gegen straßenverkehrsrechtliche Sorgfaltspflichten schwerer wiegen als solche der Beklagten zu 1), weshalb bei unstreitiger Schadenshöhe der geltend gemachte Ersatzbetrag auf ein Viertel zu kürzen sei (EU 2/3 = Bl. 21/22 d.A.).
Diese Ergebnisse entbehren angesichts einerseits lückenhafter Tatsachenfeststellung, fehlender Beweiserhebung und -würdigung, andererseits fehlerhafter Rechtsanwendung einer überzeugenden Grundlage.
1. Das Ersturteil hat die für den Streitgegenstand entscheidungserheblichen Tatsachen verfahrensfehlerhaft weder vollständig, noch uneingeschränkt zutreffend festgestellt. Deswegen liegen konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Tatsachenfeststellung vor, so dass der Senat nicht nach § 529 I Nr. 1 ZPO gebunden (BGH NJW 2005, 1583; WM 2015, 1562), und eine erneute Sachprüfung eröffnet ist.
a) Bereits der unstreitige Tatbestand weist mindestens eine offensichtliche Unklarheit auf, als die Beklagte zu 1) den in den Unfall verwickelten Pkw Ford Fiesta "selbst" gesteuert habe (EU 2 = Bl. 21 d.A.). Dies lässt, in Verbindung mit der verwendeten Anspruchsnorm des § 7 StVG (EU 3 = Bl. 22 d.A.) vermuten, das Erstgericht halte die Beklagte zu 1) für die Halterin dieses Fahrzeugs.
Tatsächlich war oder ist jedoch offenbar Herr S. F. Halter des Unfallfahrzeugs (S. 2 der polizeilichen Verkehrsunfallanzeige), folgerichtig übersieht das Erstgericht vollständig die Haftung der Fahrzeugführerin (§ 18 I StVG) aus vermut...