Entscheidungsstichwort (Thema)
Forderung. Vermächtnis
Leitsatz (redaktionell)
Zur Auslegung eines Vermächtnisses im Testament bei späterem neuemTestament und Testamentsanfechtung.
Normenkette
BGB §§ 2147, 2174
Verfahrensgang
LG München II (Urteil vom 19.08.1994; Aktenzeichen 13A O 843/94) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München II vom 19.8.1994 in Ziffer I dahin abgeändert, daß der Beklagte an den Kläger DM 211.329,19 nebst 4 % Zinsen aus DM 125.000 ab 22.11.1993 und 4 % Zinsen aus DM 86.329,19 seit 16.2.1994 zu zahlen hat und im übrigen die Klage abgewiesen wird.
II. Im übrigen wird die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
III. Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
IV. Der Wert der Beschwer beträgt für den Beklagten DM 211.329,19, für den Kläger DM 7.000,81.
V. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch den Kläger durch Sicherheitsleistung in Höhe von DM 250.000 abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
Der Kläger macht gegen den Beklagten Ansprüche aus 2 Vermächtnissen geltend.
Die Parteien sind Cousins. Die am 5.5.1993 verstorbene … war ihre gemeinsame Tante. Zudem hatte … den Beklagten am 22.5.1992 adoptiert.
Frau … errichtete am 31.1.1990 vor dem Notar …, ein notarielles Testament (Anlage K 2 zu Bl. 1/9 d. A.), in dem sie den Beklagten zum Alleinerben einsetzte. Zugleich ordnete sie zugunsten des Klägers und dessen Cousine … ein Vermächtnis in Höhe von je 150.000 DM an, zahlbar innerhalb eines halben Jahres nach ihrem Tode.
Am 25.7.1990 errichtete sie ein von ihr eigenhändig geschriebenes und unterschriebenes Testament (Anlage K 3 zu Bl. 1/9 d. A.), das sie als „Nachtrag zum Testament vom 31.1.1990” bezeichnete. In diesem Testament ordnete sie an, daß der Kläger und Frau … je zu gleichen Teilen ihre Ersparnisse erhalten sollen.
In einem vor dem Notar … am 1.10.1991 beurkundeten Nachtrag zum Testament vom 31.1.1990 (Anlage K 4 zu Bl. 1/9 d. A.) verfügte sie, daß die im notariellen Testament vom 31.1.1990 zugunsten des Klägers getroffene Vermächtnisanordnung ersatzlos entfalle, weil dieser das angeordnete Vermächtnis bereits erhalten habe. Im übrigen solle das Testament vom 31.1.1990 unverändert bleiben.
Der Kläger wies in einem Schreiben vom 18.10.1991 die Erblasserin darauf hin, daß sie ihm noch nicht den im Vermächtnis vom 31.1.1990 genannten Betrag zugewendet habe.
Der Kläger erhielt von der Erblasserin in Teilraten ein Darlehen in Höhe von DM 34.999,86, das er in monatlichen Raten von DM 300,– zurückzahlen muß.
Ferner erhielt er von der Erblasserin einen Betrag von DM 10.000 und einen weiteren Betrag von DM 25.000, den er sich auf das ihm ausgesetzte Vermächtnis anrechnen läßt.
Die Erblasserin hinterließ bei ihrem Tod u. a. DM 14.001,75 auf ihrem Girokonto, DM 11.045,39 auf Sparbüchern, DM 151.556,60 auf Festgeldkonten und DM 10.056,39 in Form eines Zertifikats, insgesamt also DM 186.660,13.
Mit Schreiben seines Prozeßbevollmächtigten vom 7.10.1993 erklärte der Kläger gegenüber dem Beklagten die Anfechtung des Nachtragstestaments vom 1.10.1991, soweit darin das im Testament vom 31.1.1990 zugunsten des Klägers ausgesetzte Vermächtnis aufgehoben worden ist. Zur Begründung gab der Kläger an, daß die Erblasserin sich bei Abgabe des Widerrufs in einem Irrtum befunden habe. Die Erblasserin sei irrtümlich davon ausgegangen, daß sie dem Kläger 150.000 DM übergeben habe.
Der Kläger hat gemeint, die von ihm erklärte Anfechtung des Testaments vom 1.10.1991 sei wirksam, weil die Erblasserin sich in einem Irrtum über die an den Kläger geleisteten Beträge befunden habe. Obwohl er sie auf den Irrtum hingewiesen habe, habe sie bis zu ihrem Tode nicht erkannt, daß ihr Widerruf auf falschen Grundlagen beruhe. Ihm ständen deshalb ein Vermächtnis in Höhe von DM 150.000 abzüglich der bereits erhaltenen DM 25.000 und die Hälfte der Ersparnisse in Höhe von DM 186.660,13 zu.
Der Kläger hat beantragt,
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger DM 218.330 nebst 4 % Zinsen aus DM 125.000 ab 22.11.1993 und 4 % Zinsen aus DM 93.330 ab Zustellung der Klage zu bezahlen.
Der Beklagte hat beantragt
die Klage abzuweisen.
Er hat gemeint, dem Kläger stehe aus keinem Vermächtnis ein Anspruch zu. Der Widerrufsgrund im Testament vom 1.10.1991 sei nur vorgeschoben, in Wahrheit habe die Erblasserin dem Kläger nichts mehr zuwenden wollen, weil dieser schon genug erhalten habe. Der Widerruf vom 1.10.1991 erfasse auch das privatschriftliche Testament vom 25.7.1990. Zumindest aber habe die Erblasserin am Widerruf vom 1.10.1991 festgehalten, nachdem der Kläger sie über ihren Irrtum aufgeklärt hatte. Denn die Erblasserin habe gewußt, daß sie dem Kläger keine DM 150.000 zu Lebzeiten zugewendet habe. Der Kläger müsse sich auf jeden Fall auch die 10.000 DM auf das Vermächtnis anrechnen lassen. Von den Ersparnissen der Erblasserin seien deren Verbindlichkeiten, die durch den Umbau ihres Hauses entstanden seien, abzuzieh...