Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage der Ermittlung des Bausolls durch eine Gesamtschau aller auslegungsrelevanten Umstände
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Ermittlung des im Einzelfall geschuldeten Bausolls ist eine Gesamtschau aller auslegungsrelevanten Umstände vorzunehmen. Dazu zählen auch die Angaben in dem übergebenen Verkaufsprospekt.
2. Der Erwerber eines exklusiven Einfamilienhauses, dessen "großzügiger Privatgarten" im Verkaufsprospekt hervorgehoben wird, kann erwarten, dass die Gartenfläche über einen direkten und ausreichend breiten Zugang verfügt und nicht umständlich nur über das Wohnzimmer und die Terrassentüre oder über die Garage erreicht werden kann.
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 07.09.2010; Aktenzeichen 5 O 23495/09) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des LG München I vom 7.9.2010 - 5 O 23495/09, abgeändert:
Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Kläger 7.400 EUR zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits (beider Instanzen) werden gegeneinander aufgehoben. Die Kosten der Nebenintervention tragen die Streithelfer.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Beschluss:
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 13.900 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Kläger nehmen die Beklagten nach Klageänderung als Gesamtschuldner auf Minderung in Anspruch.
Mit Bauträgervertrag vom 31.10.2007 verpflichteten sich die Beklagten gegenüber den Klägern zur Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Grundstück A-Weg 14 in Garching (Haus Nr. 10).
Der von den Beklagten verwendete Verkaufsprospekt "Exklusive, großzügige Einfamilienhäuser und komfortable Reihenhäuser" enthält auf S. 3 einen Lageplan, auf S. 13 einen Plan des DG mit einem Dachüberstand von 45 cm und auf S. 14 den Hinweis, dass alle Häuser über "großzügige Privatgärten" verfügen. Ein Hinweis, dass die Gartenfläche des Hauses Nr. 10 vom A-Weg aus nicht unmittelbar erreicht werden kann, sondern ein Zugang nur über das Wohnzimmer und die Terrassetüre bzw. eine Türe in einer der Garagen möglich ist, fehlt in dem Prospekt.
Der notarielle Bauträgervertrag nimmt unter A. II. 3 Bezug auf eine Verweisungsurkunde vom 26.9.2006 samt Nachtrag vom 24.11.2006. Bestandteil der Verweisungsurkunde vom 26.9.2006 ist als Anlage I ein Lageplan im Maßstab 1: 1000, der das "Baugelände" schwarz umrandet wiedergibt und zwischen dem Haus Nr. 10 und der östlichen Garage des Hauses Nr. 9 einen Durchgang vorsieht. Die Nachtragsurkunde vom 24.11.2006 enthält als Anlagen I und II die für die Bausausführung maßgeblichen Baubeschreibungen. Für die Häuser Nr. 7 - 12 sieht die Baubeschreibung (Anlage II) als "Sonderwunsch 18" den Einbau einer zusätzlichen Gartentüre "für den Zugang zum Grundstück" vor.
Im notariellen Bauträgervertrag selbst wird unter A. III.1zur Beschreibung des Vertragsgrundstücks auf einen als Anlage I bezeichneten Lageplan im Maßstab 1:1000 verwiesen, indem das Baugrundstück rot umrandet eingezeichnet ist.
Aus den eingereichten Genehmigungsplänen ergibt sich ein Abstand des Hauses Nr. 10 zur Grenze des Nachbargrundstücks (Haus Nr. 9) von 90 cm.
Nachdem die Kläger mit Schreiben vom 8.2.2009 (Anlage K 3) beanstandet hatten, dass nach Aufstellung der Garage zu Haus Nr. 9 der Durchgang zum Garten des Hauses Nr. 10 nur noch ein lichtes Maß von 50 cm aufweise, überprüften die Beklagten die Situation vor Ort und schlugen mit Schreiben vom 13.3.2009 (Anlage K 4) vor, zur Lösung des "Problems" und zur Abgeltung "aller Ansprüche" aus dem beanstandeten zu engen Durchgang zwischen Haus 9 und 10 einen unmittelbaren Gartenzugang über das Nachbargrundstück herzustellen. Dort sollte gemäß beigefügtem Plan ein 1,15 m breiter Ersatzweg angelegt werden, der an der klägerischen Garagenmauer entlanggeführt und zum Nachbargrundstück durch einen Maschendrahtzaun abgegrenzt werden sollte. Am 14.3.2009 erklärten die Kläger schriftlich ihr Einverständnis mit der vorgeschlagenen Vorgehensweise. In der Folgezeit kam es zunächst zur Errichtung des Weges auf dem Nachbargrundstück (Anlage K 5). Dieser wurde jedoch in der 16. KW 2009 wieder zurückgebaut (Anlage K 7) und die Beklagten teilten mit Schreiben vom 19.3.2009 mit, an dem "Angebot bezüglich der Lösung des Zuganges zum Garten aus baurechtlichen Gründen nicht festhalten zu können" (Anlage K 6).
Die Kläger haben erstinstanzlich zunächst Herstellung eines der Anlage I des Bauträgervertrages entsprechenden Zuganges zum Garten ihres Grundstücks begehrt. In der mündlichen Verhandlung vom 20.7.2010 haben sie die Klage auf Zahlung umgestellt und mangelbedingte Nutzungsminderung i.H.v. EUR 13.900 geltend gemacht.
Durch Endurteil vom 7.9.2010, auf dessen tatsächliche Feststellungen gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird (Bl. 110 - 118 d.A.), hat das LG München I die geänderte Klage abgewiesen.
Das LG hat ausgeführt, dass die Kläger keinen Anspruch auf einen di...