Entscheidungsstichwort (Thema)
Sittenwidrigkeit eines Verteidigerhonorars
Leitsatz (amtlich)
Ohne Hinzutreten weiterer Umstände ist ein Verteidigerhonorar i.H.v. 70.000 DM nicht ohne weiteres sittenwidrig, wenn das Ermittlungsverfahren wegen Betrugs einen Aktenumfang von über 100 Leitzordnern hat.
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 23 O 15240/02) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des LG München I - 23 O 15240/02 - aufgehoben.
2. Die Klage wird abgewiesen.
3. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Zwangsvollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckbaren Betrags leistet.
Gründe
I. Die Klägerin macht gegen den Beklagten Rückforderung angeblich zu Unrecht gezahlter Honorare geltend.
Gegen den Ehemann der Klägerin wurde im Jahre 2001 ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes auf "Anlagespekulation" geführt. Seit dem 25.1.2001 befand er sich daher deswegen in Untersuchungshaft in der JVA S. Er beauftragte den Beklagten mit seiner Verteidigung. Der Beklagte stellte ihm daraufhin mit Rechnung vom 24.4.2001 einen Gesamtbetrag i.H.v. 23.246,40 DM, bestehend aus Vorschuss i.H.v. 20.000 DM, Post- und Telekommunikationsentgelte (§ 26 BRAGO) i.H.v. 40 DM sowie Mehrwertsteuer in Rechnung. Auf diese Rechtsanwaltsgebührenberechnung bezahlte die Klägerin am 8.6.2001 20.000 DM an den Beklagten.
Am 21.6.2001 ließ sich der Beklagte von der Klägerin mit der Verteidigung deren Ehemannes gemäß "Honorarvereinbarung" vom 21.6.2001 beauftragen. Darin heißt es:
"Herr Wolfgang H. hat Rechtsanwalt Peter K. Prozessvollmacht und Auftrag zur Verteidigung erteilt. Frau Michaela H. erteilt hierzu ebenfalls Auftrag. Als Pauschalhonorar für das künftige Verfahren inkl. Hauptverhandlung wird gem. § 3 Bundesrechtsanwaltsgebührenordnung 50.000 DM (zzgl. MwSt) vereinbart. Frau Michaela H. übernimmt die persönliche Garantiehaftung für dieses Honorar, welches sofort fällig ist.
München, 21.6.2001".
Die Honorarvereinbarung ist sowohl von der Klägerin als auch vom Beklagten unterschrieben.
Auf diese Honorarvereinbarung bezahlte die Klägerin 50.000 DM.
Der Ehemann der Klägerin kündigte im November 2001 das Mandat des Beklagten. Dabei ist strittig, ob die Kündigung bereits am 1.11.2001 erfolgte, wie die Klägerin vorträgt, oder ob die Kündigung erst im ersten Hauptverhandlungstermin am 20.11.2001 ausgesprochen wurde, wie der Beklagte vorträgt.
Die Klägerin trägt vor, die geschlossenen Honorarvereinbarungen seien unangemessen hoch. Die Klägerin habe nicht gewusst, dass die Pauschalvereinbarungen das Mehrfache der gesetzlichen Vergütung darstellten. Daher könne von einer Freiwilligkeit bzw. Vorbehaltslosigkeit keine Rede sein. Vielmehr habe eine massive Überrumpelung stattgefunden, und zwar unter bewusster Ausnutzung der damaligen Zwangslage. Hinzu komme, dass die Tätigkeit des Beklagten von keinerlei Erfolg gekrönt gewesen sei. Die Schriftsätze, die er für den Ehemann der Klägerin angefertigt habe, hätten sich (größtenteils) auf eine DIN-A4-Seite beschränkt. Darüber hinaus sei lediglich eine Stellungnahme zur 6-Monats-Haftprüfung und eine zur 9-Monats-Haftprüfung erfolgt.
Die Honorarzahlungen seien daher ohne Rechtsgrund erlangt und an die Klägerin zurückzuzahlen. Die Honorarvereinbarungen verstießen gegen § 3 Abs. 1 S. 1 BRAGO. Der Beklagte habe die Klägerin auch nicht über die tatsächlich anfallenden gesetzlichen Gebühren aufgeklärt. Er habe vielmehr behauptet, in einem derartigen Fall sei ein Strafverteidigerhonorar i.H.v. 150.000 bis 160.000 DM zu zahlen.
Hinsichtlich des weiteren Sachvortrags der Klägerin in der ersten Instanz, insb. hinsichtlich der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung verwiesen.
Der Beklagte trägt vor, sowohl die Vorschussrechnung vom 24.4.2001 als auch die Honorarvereinbarung vom 21.6.2001 sei von der Klägerin bezahlt worden. Er sei umfangreich für den Ehemann der Klägerin tätig geworden. Es habe sich hierbei um ein schwer überschaubares, kompliziertes Verfahren gehandelt. In diesem Zusammenhang habe er auch mehrfach mit der Staatsanwaltschaft verhandelt. Bei dem Ehemann der Klägerin habe es sich um einen schwierigen Mandanten gehandelt.
Wegen des weiteren Sachvortrags der Beklagten erster Instanz sowie der Prozessgeschichte wird auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.
Das LG hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben.
Zur Begründung hat es ausgeführt, die gegenständliche Honorarvereinbarung sei gem. § 49b Abs. 1 BRAO i.V.m. § 134 BGB nichtig. Danach sei es einem Rechtsanwalt untersagt, geringere Gebühren und Auslagen zu vereinbaren oder zu fordern, als die Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte vorsehe, soweit diese nichts anderes bestimme. Da der Beklagte unstreitig insgesamt 70.000 DM für die Verteidigung des Ehemanne...