Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrsunfall - Alleinhaftung des bei Rot in die Kreuzung einfahrenden Kfz-Führers
Leitsatz (amtlich)
Kommt es auf einer Ampelkreuzung zu einer Kollision eines trotz Rotlichts in die Kreuzung einfahrenden, nach links abbiegenden Pkws mit einem bei Grünlicht entgegenkommenden Pkw, so führt dies regelmäßig auch dann zur Alleinhaftung des Linksabbiegers, wenn es sich für den Geradeausfahrer nicht um ein unabwendbares Ereignis im Sinne von § 17 Abs. 3 StVG handelt.
Normenkette
StVG § 7 Abs. 1, § 17 Abs. 1-3; BGB § 823 Abs. 1, § 421; StVO § 1 Abs. 2; VVG § 86 Abs. 1 S. 1, § 115 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 11.11.2016; Aktenzeichen 17 O 3273/16) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin vom 19.12.2016 wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 11.11.2016 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden verurteilt, samtverbindlich an die Klägerin 5.583,03 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.11.2015 zu bezahlen.
2. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Verfahrens (erster Instanz).
II. Die Beklagten tragen samtverbindlich die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
A. Von einer Darstellung der tatsächlichen Feststellungen wird abgesehen (§§ 540 II, 313 a I 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO).
B. I. Die statthafte, sowie form- und fristgerecht eingelegte und begründete, somit zulässige Berufung der Klägerin hat in der Sache vollumfänglich Erfolg. Das Erstgericht hätte die Klage nicht abweisen dürfen, weil diese zulässig und vollumfänglich begründet ist. Die Klägerin hat nämlich gegen die Beklagten, wie mit der Klage geltend gemacht, Anspruch auf samtverbindliche Zahlung von 5.583,04 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 01.11.2015.
1.) Die Klägerin hat gegen die Beklagten Anspruch auf samtverbindliche Zahlung von 5.583,04 EUR aus § 86 I 1 VVG i.V.m. § 7 I StVG sowie § 823 I BGB i.V.m. § 115 I Nr. 1 VVG und § 421 BGB.
a) Die Beklagten haften für den streitgegenständlichen Unfall zu 100%.
aa) Der Senat ist nach dem Ergebnis der von ihm durchgeführten Beweisaufnahme davon überzeugt, dass die Beklagte zu 1) den streitgegenständlichen Unfall dadurch verursacht hat, dass sie unter Außerachtlassen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt trotz für sie geltenden Rotlichts versuchte, mit ihrem Pkw die Kreuzung L.str. / J.str. zu überqueren.
(1.) Sowohl der Zeuge K. als auch sein Beifahrer, der Zeuge L., haben jeweils bekundet, dass der Zeuge K. erst nach Umschalten der für ihn geltenden Lichtzeichenanlage auf "Grün", und nicht bereits trotz für ihn noch geltenden Rotlichts, in den Kreuzungsbereich eingefahren war.
Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die Angaben dieser beiden Zeugen auch glaubhaft.
Zwar handelt es sich hier nicht um unbeteiligte Zeugen. Vielmehr besteht eine gewisse Nähe zum einen zwischen dem Zeugen K. und der Eigentümerin des klägerischen Pkws, der D. AG, und zum anderen zwischen dem Zeugen K, und seinem Beifahrer, dem Zeugen L. Dies führt jedoch nicht dazu, dass den Zeugen von vornherein jegliche Glaubwürdigkeit bzw. ihren Angaben jegliche Glaubhaftigkeit abzusprechen wäre.
Auch sieht der Senat, dass hier bzgl. dieser Angaben gewisse Widersprüche vorliegen. Diese Widersprüche sind indes nicht dergestalt, dass sie die Angaben entwerteten: Soweit sich die Zeugen darüber uneins waren, ob die Sonne blendete, kann dies auch an einer unterschiedlichen subjektiven Empfindlichkeit liegen. Soweit der Zeuge K. nicht schon im Rahmen seiner polizeilichen Zeugenvernehmung vom 13.02.2015 (vgl. Bl. 26 der Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft München I, Az.: 415 Js 160731/15) bzw. seiner schriftlichen Betroffenen-Äußerung in diesem Verfahren (vgl. Bl. 32 der o.g. Akte) eine Blendung durch die Sonne erwähnt hatte, mag dies daran liegen, dass er diesem Umstand ggf. kein entsprechendes Gewicht eingeräumt hatte. Soweit der Zeuge K. bekundet hat, geradeaus geschaut zu haben, während der Zeuge L. ausgesagt hat, der Zeuge K. habe mit einer Tendenz nach rechts geschaut, handelt es sich um keinen allzu großen Widerspruch. Soweit der Zeuge K., anders als der Zeuge L., bekundet hat, beim Anfahren keinen querenden Verkehr gesehen zu haben, lässt sich dies insbesondere damit erklären, dass der Zeuge L. bekundet hat, beim Anfahren nach links, in Richtung der Linksabbieger geschaut zu haben, während dies der Zeuge K. jedenfalls (unabhängig davon, ob er nun geradeaus oder sogar mit einer Tendenz nach rechts geblickt hat) nicht getan hat. Wie der Sachverständige M. überzeugend ausgeführt hat, hätte es jedoch eines nach links orientierten Blicks bedurft, um die Fahrzeuge auf den beiden Linksabbiegerspuren in der L.str. erkennen zu können (vgl. S. 11 des Protokolls der Sitzung vom 04.08.2017 = Bl. 116 d.A.). Soweit wiederum der Zeuge L. in der erstinstanzlichen Sitzung vom 12.0...