Leitsatz (amtlich)
Tritt ein in einer Rahmenvergütungsvereinbarung (nach § 3a Abs. 1 RVG) vorgesehenes Zeithonorar, welches auch künftige Prozessvertretungen erfasst, an die Stelle der Abrechnung nach dem RVG, scheidet ein Verstoß gegen § 49b Abs. 1 BRAO (Gebührenunterschreitung) aus, wenn aus der vorausschauenden Sicht des Rechtsanwalts beim Abschluss der Rahmenvereinbarung die danach geschuldete Vergütung nicht hinter den gesetzlichen Gebühren einer künftigen Prozessvertretung zurückbleiben wird (Abgrenzung zu AG München, Urteil vom 10.02.2011, 223 C 21648/10).
Normenkette
BRAO § 49b Abs. 1; RVG § 3a; BGB § 134
Verfahrensgang
LG München II (Urteil vom 16.11.2012; Aktenzeichen 13 O 32/12 Rae) |
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des LG München II vom 16.11.2012 dahingehend abgeändert, dass der Beklagte verurteilt wird, an den Kläger 187,37 EUR zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 %-Punkten über dem Basiszinssatz seit dem 27.01.2012 zu zahlen. Die weiter gehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen; die Klage bleibt insoweit abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil sowie das Urteil erster Instanz in dessen Ziffer 2. sind vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages abwenden, falls der Beklagte nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger fordert vom Beklagten die Rückzahlung von Anwaltshonorar, die Herausgabe von Prozesskostenerstattungen und Schadenersatz.
Der Beklagte beriet und vertrat den Kläger in den Jahren 2004 bis 2010 in dessen intensiven rechtlichen Auseinandersetzungen mit den Mitgesellschaftern der Firma H. GmbH, H. und P., wobei er gemäß einer am 07./14.09.2014 zeitgleich mit einem "Beratungsvertrag" geschlossenen "Honorarvereinbarung" nach Zeit abrechnete. Mit Schreiben vom 23.09.2010 legte der Beklagte das Mandat in allen zu dieser Zeit offenen Streitigkeiten nieder. Von Prozessgegnern und Gerichten erhaltene Zahlungen verrechnete er gegenüber dem Kläger mit Vergütungsforderungen. Einen Teil der zum Zeitpunkt der Kündigung anhängigen Rechtsstreitigkeiten führte der jetzige Prozessbevollmächtigte des Klägers, Rechtsanwalt Dr. He., weiter.
Der Senat nimmt gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO wegen der Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts und des streitigen Vorbringens in erster Instanz Bezug auf das Urteil des LG München II vom 28.08.2012.
Der Kläger machte in erster Instanz - außer einem in zweiter Instanz nicht weiterverfolgten Schadenersatzanspruch wegen fehlerhafter Beratung in dem Verfahren 1 HKO 3985/08 des LG München II - im Wege der Stufenklage einen Anspruch auf Abrechnung der vorgerichtlichen und gerichtlichen Tätigkeit des Beklagten nach den gesetzlichen Gebühren seit 01.01.2008 und die Rückzahlung von zu viel bezahltem Honorar geltend. Er brachte vor, die Abrechnung und Erstattung müsse berücksichtigen, dass der Beklagte in den Fällen, in denen der Kläger zum besonderen Vertreter der H. GmbH nach § 46 Nr. 8 GmbHG bestellt worden sei, zu Unrecht eine Interessenkollision zwischen letzterem und der Gesellschaft angenommen und vermeidbare Kosten verursacht habe.
Das LG wies mit Urteil vom 28.08.2012 die Klage mit der Begründung ab, der Kläger habe keinen Anspruch auf eine erneute Abrechnung der Anwaltsvergütung auf der Basis gesetzlicher Vergütung, da die zwischen den Parteien geschlossene Vergütungsvereinbarung wirksam sei und die vorgerichtliche und gerichtliche Tätigkeit des Beklagten erfasse. Der Kläger habe zudem keinen Anspruch auf eine erneute Abrechnung des Stundenaufwands. Seine Einwendungen und der Vorwurf, Erstattungen nicht korrekt abgerechnet zu haben, seien nicht konkret genug. Das Gesamthonorar sei nicht im Sinne von § 3a Abs. 2 RVG a.F. unangemessen, denn die vereinbarten Stundensätze bewegten sich im Rahmen des in München und dessen Umgebung üblichen. Zu einer Mandatsführung für die H. GmbH sei der Beklagte nicht verpflichtet gewesen, weshalb offen bleiben könne, ob eine Interessenkollision zwischen dem Kläger und der Gesellschaft bestanden habe.
Ursprünglich stellte der Kläger im Berufungsverfahren hilfsweise zu dem Antrag, das Verfahren an das LG München II zurückzuverweisen, den Antrag erster Instanz in modifizierter Form (Schriftsatz vom 05.03.2013 Bl. 179/181 d.A.). Im Schriftsatz vom 20.01.2014 (Bl. 228/243 d.A. Seite 241 rückseitig) machte der Kläger erstmals einen bezifferten Anspruch geltend und beschränkte sein Abrechnungsverlagen in den Klageanträgen III. und IV. auf von Prozessgegnern oder der Gerichtskasse erlangte Erstattungen. In einem Schreiben vom 17.02.2014 an den Klägervertreter (Anlage K 63) gab der Beklagte eine Stellungnahme zu Einzelmandaten ab. Im Schriftsatz vom 25.02.2014 (Bl. 254/274 d.A. Seite 12) erklärte der Kläger die Anträge III. und IV. aus dem Schriftsatz vom 20.01.2014 für erledigt. Der Beklagte stimmte dem...