Entscheidungsstichwort (Thema)

Kaufpreis, Abtretung, Fahrzeug, Berufung, Untersagung, Vertragsschluss, Laufleistung, Anspruch, Kenntnis, Schaden, Darlegungslast, betrug, Software, Klage, Zug um Zug, teleologische Reduktion, Sinn und Zweck

 

Verfahrensgang

LG Kempten (Urteil vom 09.06.2021; Aktenzeichen 13 O 283/21)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 09.06.2021, Az. 13 O 283/21, abgeändert.

1.1. Die Beklagte wird verurteilt, Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs Skoda Fabia mit der Fahrzeug-Identifizierungsnummer ...

an die Klägerin 9.787,21 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz

aus 10.205,43 Euro von 06.03.2021 bis 27.05.2021,

aus 9.966,54 Euro von 28.05.2021 bis 16.12.2021 und

aus 9.787,21 Euro seit 17.12.2021 zu zahlen.

1.2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit 13.03.2021 mit der Rücknahme des in Ziffer 1.1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet.

1.3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weiter gehende Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 1/8, die Beklagte 7/8.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 11.388,02 EUR festgesetzt.

 

Gründe

Die Klägerin macht gegen die Beklagte als Motorenherstellerin aus deliktischen Ansprüchen die Rückabwicklung eines Neuwagenkaufs vom 24.02.2014 geltend.

Der damals zum Preis von 16.099,93 Euro erworbene Skoda Fabia, ist mit einem 1,6 l Motor EA 189 ausgestattet, der im Jahr 2015 vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) und seit dem Jahr 2019 durch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung beanstandet wurde.

Nach einer ersten Pressemitteilung der Beklagten am 22.9.2015 wurde ab Herbst 2015 umfangreich in sämtlichen Medien über den sogenannten Abgasskandal und Softwaremanipulationen bei Fahrzeugen aus dem Konzern der Beklagten mit Dieselmotoren berichtet.

Nach dem unbestritten gebliebenen Beklagtenvortrag auf S. 38/39 der Klageerwiderung unterrichtete die Beklagte die betroffenen Halter von Fahrzeugen mit dem Motortyp EA 189 mit Schreiben vom Februar 2016 erstmals schriftlich über die Notwendigkeit eines mit dem KBA abgestimmten Software-Updates. Nach Freigabe der technischen Lösung für den entsprechenden Fahrzeugtyp wurden die Fahrzeughalter nach dem unbestrittenen Beklagtenvortrag erneut postalisch informiert.

Das Software-Update wurde beim klägerischen Fahrzeug noch im Jahr 2016 aufgespielt.

Unbestritten hat die Klägerin ihre bestehenden und künftigen Ansprüche gegen die Beklagte betreffend das streitgegenständliche Fahrzeug am 23.06.2018 an die financialright GmbH abgetreten (Anlage K 14).

Diese machte die klägerischen Ansprüche sodann mit Klage vom 11.12.2018 zum Landgericht Braunschweig geltend, bevor am 2.10.2020 die Rückabtretung und am 12.3.2021 die Klagerücknahme durch die financialright GmbH erfolgte.

Mit der ihrer hiesigen Klage vom 15.01.2021, zugestellt am 05.03.2021, verlangte die Klägerin die Erstattung des Kaufpreises für das Fahrzeug unter Anrechnung einer aus einer Gesamtlaufleistung von 350.000 km errechneten (vgl. S. 81 der Klageschrift) Nutzungsentschädigung von 4.711,91 Euro.

Mit Anwaltsschreiben vom 17.12.2020 (Anlage K 13) hat die Klagepartei die Beklagte aufgefordert, bis 24.12.2020 den Kaufpreis für das Fahrzeug abzüglich einer aus dem aktuellen Kilometerstand von 87.800 und einer zu erwartenden Gesamtfahrleistung von 350.000 km zu ermittelnden Nutzungsentschädigung Zug-um-Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs zu erstatten.

Die Beklagte hat auf S.2 der Klageerwiderung die Verjährungseinrede erhoben.

Zum Zeitpunkt des erstinstanzlichen Termins am 27.05.2021 betrug der Kilometerstand des streitgegenständlichen Fahrzeugs unbestritten 92.455. Am Tag der Berufungsverhandlung vom 16.12.2021 wies das Fahrzeug eine Laufleistung von 98.024 km auf (S. 2 des Protokolls = Bl. 415 d.A.).

Der Senat nimmt im Übrigen Bezug auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil.

Das Landgericht hat die inhaltlich auf Zahlung von 11.388,02 Euro Zug um Zug gegen Fahrzeugrückgabe gerichtete Klage abgewiesen, da die klägerischen Ansprüche bereits mit Ablauf des Jahres 2018 verjährt seien.

Der individuelle Verjährungsbeginn stimme regelmäßig mit dem allgemeinen Bekanntwerden des "Dieselskandals" und der umfangreichen Medienberichterstattung seit Herbst 2015 überein.

Dass ein in Deutschland lebender Kunde des Konzerns hiervon keine Kenntnis gehabt haben sollte und ihm nicht jedenfalls grob fahrlässige Unkenntnis vorzuwerfen wäre, sei nicht vorstellbar.

Wegen der gerügten Installation eines sogenannten "Thermofensters" durch das Software-Update bestünden bereits keine deliktischen Ansprüche gegen die Beklagte, insbesondere fehle es an einer substantiierten Darlegung einer unzulässigen sittenwidrigen Handlung von Organen der Beklagten.

Auch andere deliktische Anspruchsgrundlagen kämen nicht in Betra...

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