Leitsatz (amtlich)
1. Der Vermieter verletzt seine Rücksichtnahmepflicht gegenüber dem Mieter, wenn er in einem Rechtsstreit mit dem Mieter - hier über die Wirksamkeit der Ausübung einer Option durch den Mieter - willkürlich Behauptungen ins Blaue hinein aufstellt oder die Sachverhalte keinen Bezug mehr zum Mietverhältnis haben. Diese Pflichtverletzung kann den Mieter zur Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB berechtigen und zu einem Schadensersatzanspruch des Mieters in Form des Kündigungsfolgeschadens führen.
2. Treffen die Mietvertragsparteien gleichzeitig mit dem Mietvertrag eine Zusatzvereinbarung mit wesentlichen Inhalten (hier: Wertsicherungsklausel), auf die im Mietvertrag nicht verwiesen wird, ist die Zusatzvereinbarung als Nachtrag und nicht als Anlage anzusehen. Die in § 550 Satz 1 BGB vorgeschriebene Schriftform ist bei einem späteren Nachtrag nur gewahrt, wenn auch auf die Zusatzvereinbarung Bezug genommen wird.
3. Der Schadensersatzanspruch des Mieters in Form des Kündigungsfolgeschadens ist unter dem Gesichtspunkt des rechtmäßigen Alternativverhaltens ausgeschlossen, wenn der Vermieter wegen eines Formmangels hätte kündigen können und auch tatsächlich gekündigt hätte. Die Rechtskraft eines Urteils, in dem festgestellt wird, dass sich das Mietverhältnis trotz ordentlicher Kündigung durch Ausübung der Option verlängert hat, steht der Geltendmachung des Einwandes des rechtmäßigen Alternativverhaltens entgegen.
Verfahrensgang
LG Ingolstadt (Aktenzeichen 32 O 627/16) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 26.03.2018, Az. 32 O 627/16, wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.
Gründe
I. Die Klägerin verlangt als vormalige Mieterin von dem Beklagten als vormaligem Vermieter Schadensersatz nach Beendigung eines Mietvertrages über zum Betrieb einer Zahnarztpraxis genutzte Räume.
Die Parteien schlossen am 28.05.2004 einen Mietvertrag über Praxisräume, vorgelegt als K1, in dem Anwesen in I. Dieser lautet u.a.:
"§ 3 Mietbeginn, Mietdauer
(1) Das Mietverhältnis beginnt mit Praxiseröffnung am 01.09.2004, spätestens am 01.10.2004 und endet am 31.08.2014 bzw. am 30.09.2014. ...
(2) Die Parteien beabsichtigen eine Verlängerung des vorliegenden Vertrages jeweils um weitere 5 Jahre (Option für vier mal fünf Jahre). Sofern der Mieter eine Verlängerung des Vertrages wünscht, ist dies dem Vermieter schriftlich mindestens 6 Monate vor Ablauf der Mietzeit mitzuteilen. Die Einzelheiten bzgl. der verlängerten Mietzeit, z.B. Änderung oder Anpassung bestehender Vertragsmodalitäten, insbesondere zur Mietzinshöhe nach dem Index des statistischen Bundesamtes, werden in einem Nachtrag zum vorliegenden Mietvertrag geregelt. ..."
Ebenfalls am 28.05.2004 vereinbarten die Parteien den als K 28 vorgelegten Nachtrag zum Mietvertrag.
Der Beklagte kündigte der Klägerin mit Schreiben vom 30.08.2007 fristlos. In der Folge schlossen die Parteien mit Datum vom 09.10.2007 die "Zusatzvereinbarung zum Mietvertrag vom 28.05.2004", vorgelegt als K 29. Darin heißt es u.a.: "12. Die Parteien sind sich darüber einig, dass Herr S aus der Kündigung vom 30.08.2007 keine Rechte mehr herleiten kann."
Mit Schreiben vom 18.09.2013, vorgelegt als K 2, teilte die Klägerin dem Beklagten mit, dass sie ihr Optionsrecht wahrnehme und um eine Verlängerung des Mietvertrages um weitere fünf Jahre bitte.
Der Beklagte kündigte das Mietverhältnis mit Schreiben vom 28.02.2014, vorgelegt als K 5, wegen Eigenbedarfs. Die Klägerin erhob daraufhin vor dem Landgericht Ingolstadt Klage auf Feststellung, dass das Mietverhältnis durch diese Kündigung nicht beendet worden sei und dass sich das Mietverhältnis durch Ausübung der Option verlängert habe. In dem Verfahren kündigte der Beklagte schriftsätzlich im Schriftsatz vom 08.08.2014 ordentlich wegen Eigenbedarfs zum 30.03.2015, Az. 33 O 1082/14. Die Klägerin erweiterte daraufhin ihre Klage auf Feststellung, dass das Mietverhältnis durch die Kündigung vom 08.08.2014 nicht beendet worden sei.
In dem Schriftsatz des Bevollmächtigten des Beklagten vom 02.01.2015 an das LG Ingolstadt im Vorprozess, Anlage BB 4, wurde ausgeführt, dass die Klägerin sich nicht an die Hausordnung halte und für die anderen Mieter unzumutbar sei. Darüber hinaus wurde auch vorgetragen, dass sich die Praxisräume nicht in einem guten Zustand befänden, dass die Klägerin exorbitant hohe Rechnungen stelle und dass sie Zahnbehandlungen in die Länge ziehe.
In dem Schreiben vom 10.03.2015 ließ die Klägerin den Beklagten und den Bevollmächtigten auffordern, eine Unterlassungsverpflichtungserklärung bis zum 17.03.2015 zu unterzeichnen, Anlage BB 3.
Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis ihrerseits außerordentlich mit Schreiben vom ...