Entscheidungsstichwort (Thema)

Rücktritt bei einer Zug-um-Zug-Vereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

Bei einer Zug-um-Zug-Vereinbarung setzt das Rücktrittsrecht einer Partei nach § 323 Abs. 1 BGB neben der Leistungsbereitschaft auch deren eigene objektive Leistungsfähigkeit voraus. Nicht vorwerfbare Unkenntnis von der eigenen tatsächlichen Leistungsunfähigkeit ist hierbei ohne Bedeutung.

 

Normenkette

BGB § 323 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG München I (Urteil vom 09.06.2010; Aktenzeichen 3 HKO 2658/09)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des LG München I vom 9.6.2010 (Az.: 3 HKO 2658/09) wird zurückgewiesen.

II. Die Berufung der Drittwiderbeklagten gegen das Endurteil des LG München I vom 9.6.2010 (Az.: 3 HKO 2658/09) wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass Ziff. II des Endurteils dahingehend abgeändert wird, dass Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 21.3.2009 zu bezahlen sind. Auch insoweit wird die Drittwiderklage abgewiesen.

III. Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten der Beklagten tragen die Klägerin zu 3/4 und die Drittwiderbeklagte zu 1/4. Im Übrigen tragen die Klägerin und die Drittwiderbeklagte ihre Kosten selbst.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin und die Drittwiderbeklagte können die Vollstreckung jeweils durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte jeweils vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin macht gegen die Beklagte aus dem Kaufvertrag vom 22.6.2008 (Anlage K1) Anspruch auf entgangenen Gewinn geltend. Die Beklagte beantragt im Wege der Widerklage von der Drittwiderbeklagten die Rückzahlung der erfolgten Anzahlung i.H.v. 100.000,- EUR.

Die Klägerin hat mit Vertrag vom 27.9.2007 den Pkw Typ Bugatti ... mit der Produktionsnummer 5 (von dieser Serie wurden insgesamt nur fünf Fahrzeuge gefertigt) von der Automobilfirma B. erworben und die Drittwiderbeklagte beauftragt, als Kommissionärin das Fahrzeug weiterzuveräußern. Von dieser erwarb die Beklagte mit Vertrag vom 22.6.2008 (Anlage K1) den streitgegenständlichen Pkw. Als Kaufpreis war der Listenpreis des Herstellers plus einem Aufschlag von 400.000,- EUR zzgl. Umsatzsteuer vereinbart. Der Listenpreis betrug 1,4 Mio. EUR. Als Lieferzeit war im Kaufvertrag Dezember 2008 vereinbart. Die Luftfrachtkosten nach Dubai sollten von der Drittwiderbeklagten übernommen werden. (Die Beklagte beabsichtigte den Weiterverkauf des Fahrzeugs).

Nachdem die Klägerin mit Schriftsatz der Firma B. vom 14.11.2008 (Anlage K17) darüber informiert worden war, dass das Fahrzeug Ende November abholbereit sein werde, teilte die Drittwiderbeklagte der Beklagten zunächst mit Schriftsatz vom 25.11.2008 (Anlage B4) die Auslieferung des Fahrzeugs zum 28.11.2008 mit.

Hinsichtlich der sodann zeitlich nachfolgenden Schriftsätze der Parteien wird auf die vorgelegten Anlagen Bezug genommen.

Schließlich setzte die Drittwiderbeklagte mit Schriftsatz vom 12.12.2008 (Anlage B8) der Beklagten eine Nachfrist bis 22.12.2008 zur Abnahme des Fahrzeugs Zug um Zug gegen Zahlung des Kaufpreises.

Mit Schriftsatz vom 30.12.2008 (Anlage B9) erfolgte schließlich, da die Beklagte das Fahrzeug nicht bis zum 22.12.2008 abgenommen hatte, der Rücktritt vom Vertrag.

Mit Schriftsatz der Beklagten vom 6.3.2009 (Anlage B2) trat diese ihrerseits vorsorglich vom Vertrag zurück.

Die Beklagte hatte Ende Januar 2009 erfahren, dass seitens der Firma B. das streitgegenständliche Fahrzeug wegen eines Kratzers an der Stoßstange tatsächlich nicht zum 22.12.2008 abholbereit zur Verfügung stand. Die Firma B. hatte es ihrerseits unterlassen, diesen Umstand der Klägerin oder der Drittwiderbeklagten mitzuteilen.

Das LG hat nach durchgeführter Beweisaufnahme die Klage abgewiesen und der Widerklage der Beklagten gegen die Drittwiderbeklagte auf Rückzahlung der Anzahlung stattgegeben. Das Erstgericht führt aus, das Rücktrittsrecht der Drittwiderbeklagten sei nach § 323 Abs. 6 BGB ausgeschlossen, weil das Fahrzeug nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme tatsächlich nicht zum 22.12.2008 lieferfähig gewesen sei. Dass die Drittwiderbeklagte hiervon keine Kenntnis hatte, sei rechtsunerheblich. Wegen des sodann rechtswirksam erfolgten Rücktritts durch die Beklagte sei die Drittwiderbeklagte zur Rückzahlung der Anzahlung i.H.v. 100.000,- EUR verpflichtet.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt des Urteils Bezug genommen.

Hiergegen wenden sich die Berufungen der Klägerin und der Drittwiderbeklagten.

Sie führen aus, das Rücktrittsrecht der Drittwiderbeklagten nach § 323 Abs. 1 BGB sei nicht nach § 323 Abs. 6 BGB ausgeschlossen, da die Beklagte noch vor Ablauf der Nachfristsetzung zum 22.12.2008 und vor Rücktrittserklärung der Drittwiderbeklagten dieser gegenüber endgültig und ernsthaft die Abnahme des Fahrzeugs und die Bezahlung des Kaufpreises verweigert habe. Hintergrund sei gewesen, dass der Käufer der Beklagte...

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