Entscheidungsstichwort (Thema)
Forderung. Inventarerrichtung
Leitsatz (redaktionell)
1. Zur rechtzeitigen Inventarerrichtung reicht es nicht aus, wenn die Aufnahme des Inventars vor einem Notar erfolgt ist, sondern es kommt unabhängig von eine Verschulden des Erben auf den rechtzeitigen Eingang beim Nachlassgericht an.
2. Zu den Voraussetzungen der Haftungsbeschränkung
Normenkette
BGB § 1967 Abs. 2, §§ 1974-1975, 1990, 1992-1993, 2003 Abs. 3; ZPO § 780 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Kempten (Urteil vom 18.11.1991; Aktenzeichen 1.0.873/91) |
AG Nürnberg (Vollstreckungsbescheid vom 09.04.1991; Aktenzeichen 6 B 00284/91) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Endurteil des Landgerichts Kempten (Allgäu) vom 18. November 1991 unter Aufhebung des Kostenausspruchs geändert und neu gefaßt wie folgt:
- Der Vollstreckungsbescheid des Amtsgerichts Nürnberg gegen den Beklagten … vom 9. April 1991 – 6 B 00284/91 – wird mit der Maßgabe aufrecht erhalten, daß der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 5.968,68 DM nebst 14,7 % Zinsen aus 2.756,87 DM seit 6. Februar 1991 zu zahlen.
- Die Beklagte … wird als Gesamtschuldner in neben … verurteilt, an die Klägerin 5.968,68 DM nebst 14,7 % Zinsen aus 2.756,87 DM zu zahlen.
- Im übrigen wird der Vollstreckungsbescheid aufgehoben.
II. Die Gerichtskosten des ersten Rechtszugs tragen die Klägerin zu 1/10 und die Beklagten zu je 9/20. Die Beklagten tragen je 9/20 der außergerichtlichen Kosten der Klägerin im ersten Rechtszug, die je 1/20 der außergerichtlichen Kosten der Beklagten trägt. Im übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten des ersten Rechtszugs selbst.
Die Beklagten haben die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Der Wert der Beschwer der Beklagten beträgt 5.968,– DM.
Tatbestand
Die Beklagten sind zu gleichen Teilen Miterben des am 15. Dezember 1983 verstorbenen … Dieser hatte bei der Klägerin Verbindlichkeiten aus einem Darlehensvertrag vom 17. September 1980, die sich am 5. Februar 1991 auf 5.968,68 DM beliefen.
Auf Antrag der Klägerin setzte das Amtsgericht Lindau (Bodensee) mit Beschluß vom 27. September 1989, zugestellt am 29. September 1989, den Beklagten eine Frist von einem Monat zur Errichtung eines Inventars über den Nachlaß.
Die Beklagten ließen das Inventar am 24. Oktober 1989 von einem Notar in Lindau (Bodensee) aufnehmen, der es am 31. Oktober 1989 beim Nachlaßgericht einreichte.
Die Klägerin hat die Beklagten insbesondere unter Berufung auf verspätete Inventarerrichtung in Anspruch genommen.
Die Beklagten haben die Ansicht vertreten, die Frist durch die rechtzeitige notarielle Beurkundung gewahrt zu haben.
Das Landgericht hat den gegen den Erstbeklagten ergangenen Vollstreckungsbescheid aufgehoben und die Klage gegen beide Beklagten abgewiesen.
Es hat Rechtzeitigkeit der Inventarerrichtung angenommen, weil die Beklagten mit der Einschaltung des am Sitz des Nachlaßgerichts tätigen Notars und dessen Beauftragung mit der Vorlage bei Gericht alles aus ihrer Sicht Erforderliche getan hätten. Der Notar hätte angesichts der verzögerten Einreichung bei Gericht Fristverlängerung beantragen können. Selbst wenn die Frist versäumt sei, könne sich die Klägerin gemäß § 242 BGB nicht darauf berufen. Die ohnehin auf das Mindestmaß bemessene Frist sei lediglich um einen Tag versäumt, während die Klägerin 5 1/2 Jahre mit der Geltendmachung ihrer Forderung zugewartet habe. Bei Kenntnis der Säumnis hätten die Beklagten Fristverlängerung erwirken können. Sie hafteten daher nur mit dem Nachlaß, von dem nichts mehr vorhanden sei.
Die Klägerin vertritt mit ihrer Berufung weiterhin die Ansicht, daß die Frist allein durch rechtzeitigen Eingang des Inventars beim Nachlaßgericht gewahrt werde. Die Beklagten müßten sich ein Verschulden des Notars zurechnen lassen und diesen gegebenenfalls haftbar machen.
Die Klägerin beantragt,
in Abänderung des Ersturteils den Vollstreckungsbescheid gegen den Erstbeklagten in Höhe von 5.968,68 DM nebst 14,7 % Zinsen aus 2.756,87 DM seit 6. Februar 1991 aufrechtzuerhalten und die Zweitbeklagte als Gesamtschuldnerin zur Zahlung in gleicher Höhe zu verurteilen.
Die Beklagten beantragen
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließen sich im wesentlichen der Auffassung des Erstgerichts an.
Wegen der Einzelheiten wird auf das angefochtene Urteil und die von den Parteien eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Die Nachlaßakten des Amtsgerichts Lindau (Bodensee) – VI 675/83 – wurden zu Informationszwecken beigezogen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung ist begründet. Sie führt zur Änderung des angefochtenen Urteils nach Maßgabe der Urteilsformel. Die Annahme des Landgerichts, die Beklagten hafteten nur mit dem nicht mehr vorhandenen Nachlaß, hält einer rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1. Unrichtig ist schon der Ausgangspunkt, daß die rechtzeitige Errichtung eines Inventars über den Nachlaß für sich allein eine Haftungsbeschränkung bewirke. Das ist nicht der Fall. Die Inventarerrichtung versetz...