Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzverfahren, Restschuldbefreiung, Berufung, Internet, Neuberechnung, Verbraucherschutz, Widerspruch, Rechtskraft, Anspruch, Form, Rechtsgrundlage, Speicherung, Anlage, Hinweis, analoge Anwendung

 

Verfahrensgang

LG München II (Urteil vom 07.03.2022; Aktenzeichen 14 O 449/21)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts München II vom 07.03.2022, Az. 14 O 449/21 aufgehoben.

2. Die Beklagte wird verurteilt, die in ihrem elektronischen Datenbestand gespeicherten Informationen zum Kläger:

"Restschuldbefreiung erteilt. Diese Information stammt aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte. Zu diesem Insolvenzverfahren wurde uns die Erteilung der Restschuldbefreiung mitgeteilt. Aktenzeichen ...362. Der Vorgang wird bei den Insolvenzgerichten unter diesem Aktenzeichen geführt. Datum des Ereignisses 28.04.2020"

zu löschen und den Score-Wert des Klägers künftig in der Weise zu berechnen, dass keine Informationen zu dem vorgenannten Insolvenzverfahren des Klägers berücksichtigt werden.

3. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

4. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von EUR 300 vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision gegen dieses Urteil wird zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger begehrt von der beklagten S. AG die Löschung personenbezogener Daten aus deren Auskunftei.

Der Kläger durchlief seit 2013 ein Insolvenzverfahren, hinsichtlich dessen ihm mit auf den 28.04.2020 datierten und im Internet unter "www.insolvenzbekanntmachungen.de" veröffentlichten Beschluss Restschuldbefreiung erteilt wurde. Diese Veröffentlichung wurde gemäß § 3 Abs. 1, 2 InsBekV sechs Monate nach Rechtskraft der Entscheidung über die Restschuldbefreiung im Herbst 2020 gelöscht.

Die Beklagte, eine Gemeinschaftseinrichtung der kreditgebenden deutschen Wirtschaft, entnahm am 28.04.2020 die Information über das durchgeführte Insolvenzverfahren und die Erteilung der Restschuldbefreiung aus der öffentlichen Bekanntmachung und speicherte sie in ihrer Auskunftei. Auf der Grundlage des von der Beklagten angewendeten sogenannten "Code of Conduct" löscht sie personenbezogene Daten nach drei Jahren. Der streitgegenständliche Eintrag steht somit nach der Selbstverpflichtung der Beklagten am 28.04.2023 zur Löschung an.

Der Kläger erhob mit Schreiben vom 11.11.2020 Widerspruch gegen die weitere Datenverarbeitung durch die Beklagte und beantragte deren Löschung (Anlage K 10). Mit Schreiben vom 23.11.2020 lehnte die Beklagte unter Hinweis auf ihre überwiegenden Interessen die Löschung ab (Anlage K 11).

Der Kläger ist der Meinung, dass eine über die Sechs-Monats-Frist des § 3 Abs. 1 InsBekV hinausgehende fortdauernde Speicherung durch die Beklagte unzulässig sei. Die Beklagte müsse sich an dieselben Fristen halten, die auch für die Löschung der Daten auf dem Portal www.insolvenzbekanntmachungen.de gelten. Eine spätere Löschung erschwere ihm entgegen des mit der Restschuldbefreiung verfolgten Zwecks eines wirtschaftlichen Neustarts die Teilnahme am Wirtschaftsleben erheblich. So sei es ihm aufgrund des Eintrags nicht möglich, eine neue Wohnung zu finden, ebenso sei ihm der Abschluss von Handy- und Energieverträgen erschwert.

Das Landgericht hat die Klage insbesondere unter Hinweis auf bestehende berechtigte Interessen der Beklagten an der fortdauernden Speicherung des Eintrags abgewiesen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Berufung.

Er beantragt in der Berufungsinstanz (Bl. 144 d.A.): 1) Das Urteil des Landgerichts München II vom (Az. 14 O 449/21) vom 07.03.2022 wird aufgehoben.

2) Die Berufungsbeklagte wird verurteilt, die in ihrem elektronischen Datenbestand (Computer) gespeicherten Informationen: "Restschuldbefreiung erteilt. Diese Information stammt aus den Veröffentlichungen der Insolvenzgerichte. Zu diesem Insolvenzverfahren wurde uns die Erteilung der Restschuldbefreiung mitgeteilt. Aktenzeichen ...362. Der Vorgang wird bei den Insolvenzgerichten unter diesem Aktenzeichen geführt. Datum des Ereignisses 28.04.2020", zu löschen.

3) Die Berufungsbeklagte wird verurteilt, den Score-Wert des Klägers in der Weise wieder unverzüglich herzustellen, als habe es die unter dem Antrag unter 1) vorgenommene Speicherung nicht gegeben.

Die Beklagte beantragt (Bl. 167 d.A.),

die Berufung des Klägers gegen das am 7. März 2022 verkündete Urteil des Landgerichts München II (Az. 14 O 449/21) auf Kosten des Klägers zurückzuweisen.

Sie ist der Meinung, dass die Sechs-Monats-Frist des § 3 InsBekV auf ihre Speicherung nicht anwendbar sei. Sie vertrete schützenswerte Interesse, weswegen die Datenspeicherung rechtmäßig im Sinne des Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO sei und ein Löschungsanspruch nach Art. 17 Abs. 1 d) DSGVO ausscheide. Weitere Anspruchsgrundlagen bestünden angesichts der abschließenden Regelung der DSGVO nicht.

Zur Ergänzung wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 26.09.20...

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