Entscheidungsstichwort (Thema)

Insolvenzverfahren, Restschuldbefreiung, Eintragung, Berufung, Auskunft, Widerspruch, Aufhebung, Anspruch, Wohnung, Auslegung, Speicherung, Gleichbehandlung, Datenverarbeitung, Bekanntmachung, personenbezogene Daten, wirtschaftliches Interesse, Sinn und Zweck

 

Verfahrensgang

OLG München (Verfügung vom 28.09.2022; Aktenzeichen 18 U 1032/22)

LG Traunstein (Urteil vom 20.01.2022; Aktenzeichen 2 O 738/21)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Traunstein vom 20.01.2022, Az. 2 O 738/21, wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

3. Das Urteil und das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Traunstein sind vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin, der im Insolvenzverfahren vor dem Amtsgericht Traunstein am 01.04.2020 Restschuldbefreiung erteilt wurde, nimmt die Beklagte auf Löschung des Eintrags über die Restschuldbefreiung in ihrer Datenbank sowie auf Wiederherstellung des sog. "Score-Wertes" in Anspruch.

Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes und der Anträge in erster Instanz wird auf den Tatbestand des angefochtenen Endurteils des Landgerichts Traunstein vom 20.01.2022 (Bl. 143/144) Bezug genommen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt: Der Klägerin stehe der geltend gemachte Anspruch auf Löschung und Wiederherstellung unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Die Voraussetzungen des Art. 17 Abs. 1 lit. a DS-GVO seien nicht erfüllt. Die Beklagte habe nachvollziehbar dargelegt, dass die ursprünglich rechtmäßig verarbeiteten Daten zur Beurteilung der Kreditwürdigkeit der Klägerin weiterhin erforderlich seien. Zwar nehme die Bedeutung dieser Information ab, je länger die Restschuldbefreiung zurückliege. Diesem Umstand sei jedoch durch eine regelmäßige Löschung nach drei Jahren Genüge getan. Dies gelte auch deshalb, weil in dem Eintrag das Datum der Restschuldbefreiung vermerkt sei, weshalb etwaige Kunden der Beklagten den Wert der Auskunft selbst beurteilen könnten. Die dreijährige Speicherfrist stehe auch nicht in Widerspruch zu der sechsmonatigen Speicherfrist der Insolvenz-Internet-Bekanntmachungsverordnung (InsBekV). Zur Begründung werde auf das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 23.07.2020 - 334 O 161/19 - Bezug genommen. Auch die Voraussetzungen eines Löschungsanspruchs nach Art. 17 Abs. 1 lit. c DSGVO seien nicht erfüllt. Die Klägerin habe nicht ausreichend substantiiert vorgetragen, dass sie sich in einer besonderen persönlichen Situation befinde. Es handele sich vielmehr um die typische Situation einer Person, die eine Restschuldbefreiung durchlaufen habe. Es überwögen daher die Interessen der Beklagten und deren Vertragspartner. Die Beklagte unterstütze ihre Vertragspartner bei der Überprüfung der Bonität potentieller Kreditnehmer und Vertragspartner. Hierfür sei der Umstand einer früheren Restschuldbefreiung wesentlich. Mangels Löschungsanspruchs bestehe auch kein Anspruch auf Wiederherstellung des "Scorewertes".

Ergänzend wird auf die Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils (Bl. 145/147) verwiesen.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 17.02.2022, beim Oberlandesgericht eingegangen am selben Tag, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist mit Schriftsatz vom 21.04.2022, beim Oberlandesgericht eingegangen am selben Tag, begründet. Sie verfolgt ihr erstinstanzliches Klageziel unter Wiederholung und Vertiefung ihres Vortrags weiter. Zur Begründung führt sie im Wesentlichen aus:

Die von der Beklagten praktizierte Speicherfrist von drei Jahren stelle einen Widerspruch zur sechsmonatigen Speicherfrist des § 3 Abs. 1 InsBekV dar. Das Landgericht habe verkannt, dass die Eingriffsintensität durch die Speicherung und Verbreitung durch die Beklagte auf Seiten des Schuldners wesentlich höher sei als die Bekanntmachung im Insolvenzbekanntmachungsportal. Die Klägerin beruft sich insbesondere auf die Rechtsauffassung des OLG Schleswig-Holstein, Urteil vom 02.07.2021, Az. 17 U 15/21, und Urteil vom 03.06.2022, 17 U 5/22, sowie des Verwaltungsgerichts Wiesbaden, Beschluss vom 23.12.2021, Az.: 6 K 441/21 WI, mit dem das Verwaltungsgericht dem EUGH bestimmte Fragen in Bezug auf die Speicherpraktiken der Beklagten zur Beantwortung vorgelegt hat. Auf eigene Verhaltensregeln könne sich die Beklagte nicht berufen, ihr fehle daher eine Rechtsgrundlage für die Datenverarbeitung. Jedenfalls falle eine Abwägung der Interessen und Grundrechte der Klägerin mit den Interessen der Beklagten oder ihrer Vertragspartner zugunsten der Klägerin aus. Die Klägerin werde durch den Eintrag gravierend bee...

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