Entscheidungsstichwort (Thema)
Motorbootunfall: Schmerzensgeldbemessung bei Verletzung der Verkehrssicherungspflicht durch den Bootsführer
Normenkette
BGB §§ 253, 823 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Traunstein (Urteil vom 21.12.2012; Aktenzeichen 7 O 205/10) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Schlussurteil des LG Traunstein vom 21.12.2012 - 7 O 205/10, in Bezug auf den Beklagten zu 2) wie folgt abgeändert:
1. Der Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 7.000 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 23.5.2010 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte zu 2) auch für die weiteren materiellen und immateriellen Schäden des Klägers aufgrund des Bootsunfalls vom 8.8.2009 um 10:00 Uhr auf der S. bei Flusskilometer 3,200 haftet.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
III. Von den Gerichtskosten 1. Instanz tragen der Kläger 7/9 und der Beklagte zu 2) 2/9. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers in 1. Instanz trägt der Beklagte zu 2) 2/9. Die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 1) in 1. Instanz trägt der Kläger in voller Höhe, die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2) in 1. Instanz trägt der Kläger zu 1/3. Hinsichtlich der außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 3) verbleibt es bei der Kostenentscheidung des Teilurteils vom 29.11.2010 - 7 O 205/10. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten in 1. Instanz selbst.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 1/3 und der Beklagte zu 2) 2/3.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Einer Darstellung des Tatbestands bedarf es nicht, da aufgrund des 20.000 EUR nicht übersteigenden Wertes der Beschwer des Berufungsführers gem. § 26 Nr. 8 Satz 1 EGZPO ein Rechtsmittel gegen dieses Urteil unzweifelhaft nicht zulässig ist, § 540 Abs. 2 i.V.m. § 313a ZPO (Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 33. Aufl. 2012, § 313a Rz. 2; Zöller/Vollkommer, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 313a Rz. 2).
II. Die Berufung des Klägers hat überwiegend Erfolg. Sie ist zulässig und zum großen Teil begründet, so dass das Urteil des LG in Bezug auf den Beklagten zu 2) abzuändern war.
Der Kläger hat gegen den Beklagten zu 2) einen Anspruch auf Zahlung von Schmerzensgeld und den Ersatz weiterer materieller und immaterieller Schäden aufgrund des Bootsunfalls vom 8.8.2009. Nicht zuzusprechen waren jedoch die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten und die Kosten für die Akteneinsichtsgebühr.
1. Schmerzensgeld
Eine Haftung des Beklagten zu 2) ergibt sich aus der Verletzung von Verkehrssicherungspflichten i.S.d. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 253 Abs. 2 BGB.
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. nur BGH NJW 2008, 3775 mit zahlreichen Nachweisen) ist derjenige, der eine Gefahrenlage - gleich welcher Art - schafft, grundsätzlich verpflichtet, die notwendigen und zumutbaren Vorkehrungen zu treffen, um eine Schädigung anderer möglichst zu verhindern. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass nicht jeder abstrakten Gefahr vorbeugend begegnet werden kann. Eine Verkehrssicherung, die jede mögliche Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Der Verkehrssicherungspflicht ist vielmehr genügt, wenn im Ergebnis der Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrssauffassung für erforderlich hält. Es genügt daher, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise für ausreichend halten darf, um andere Personen vor Schäden zu bewahren, und die ihm den Umständen nach zuzumuten sind.
Auf der Grundlage dieser allgemeinen Maßstäbe bestimmt sich auch das Maß der den Beklagten zu 2) - als Bootsführer des Motorboots - treffenden Verkehrssicherungspflicht. Der Beklagte zu 2) war für die sichere Benutzungsmöglichkeit des Motorboots verkehrssicherungspflichtig.
Unter Berücksichtigung der oben genannten Grundsätze ist vorliegend davon auszugehen, dass der Beklagte zu 2) geeignete Sicherungsmaßnahmen unterlassen und damit eine fahrlässige Verkehrssicherungspflichtverletzung i.S.v. § 823 Abs. 1 BGB begangen hat.
Der Beklagte zu 2) war mit großer Geschwindigkeit stromaufwärts gefahren (Beschluss des LG vom 29.11.2010, Ziff. IV. = Bl. 87 d.A.; Sachverständigengutachten vom 29.5.2012, Seite 2), vor der Linkskurve vom Gas gegangen, um dann die 180-Grad-Wende durchzuführen. Aufgrund der bei einer 180-Grad-Linkswende auftretenden Fliehkräfte - wovon der Senat aus eigener Sachkunde ausgeht, mag auch das Boot "verhältnismäßig gutmütig" reagieren und mögen auch "die Manöver zum Unfallzeitpunkt nicht mit voller Leistung gefahren" worden sein, wie der Sachverständige auf Seite 4 seines Gutachtens vom 29.5.2012 feststellt - war die Anweisung an ein 11-jähriges Kind, sich gut festzuhalten, nicht geeignet, um...