Entscheidungsstichwort (Thema)
Diesel, Thermofenster, Berechnung Differenzschaden und Vorteilsausgleichung bei Vorsteuerabzugsberechtigung
Verfahrensgang
Tenor
I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 11.01.2021, Az. 43 O 1160/19, abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 4.639,12 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 09.12.2023 zu bezahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin 92% und die Beklagte 8%.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
III. Von den Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens (Az. VIa ZR 752/22) tragen die Klägerin 82% und die Beklagte 18%.
IV. Das in Ziffer I.1. genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt und dieses Urteil sind jeweils ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um Schadensersatzansprüche der Klägerin im Rahmen des sog. Dieselskandals betreffend einen Audi Q5 3.0l TDI quattro (EU 5).
Die vorsteuerabzugsberechtigte Klägerin erwarb das Fahrzeug am 20.05.2011 von der [...] GmbH & Co. KG als Neufahrzeug zu einem Netto-Kaufpreis von 46.391,18 EUR (vgl. Rechnung vom 21.03.2012 = Anlage K 1). Das Fahrzeug wurde am 27.03.2012 erstzugelassen und am 31.01.2020 vorübergehend stillgelegt.
Zur Vermeidung von Wiederholungen wird auf die Feststellungen im Endurteil des Landgerichts Ingolstadt vom 11.01.2021 mit nachfolgenden Änderungen bzw. Ergänzungen verwiesen.
Nach Vortrag der Klägerin wurde das Fahrzeug am 09.05.2023 mit einer Laufleistung von 167.124 km zu einem Verkaufspreis von 12.000 EUR brutto, 10.084,03 EUR netto an einen Dritten veräußert; auf die Verkaufsunterlagen vom 09.05.2023 (Anlagen BB 8 und BB 9) wird Bezug genommen. Die Beklagte bestreitet den Verkauf und den Kilometerstand mit Nichtwissen (Schriftsatz vom 28.06.2024, S. 1/2).
Das streitgegenständliche Fahrzeug weist seit dem Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses ein Thermofenster auf, das in Abhängigkeit von der Umgebungslufttemperatur eine Veränderung der AGR-Rate bei einer Temperatur vornimmt, die oberhalb von 12°C liegt (sog. Thermofenster).
Das Kraftfahrtbundesamt (KBA) hat am 28.7.2023 eine nicht rechtskräftige Feststellung getroffen, wonach bei Fahrzeugen mit dem hier streitgegenständlichen Aggregat EA896 V-TDI EU5 Gen1, in denen die Abrampung der umgebungslufttemperaturabhängigen Abgasrückführung oberhalb von 12 °C Umgebungstemperatur beginnt, eine unzulässige Abschalteinrichtung nach Artikel 5 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vorliegt.
Ein Software-Update zur Aufweitung des Thermofensters steht für das streitgegenständliche Fahrzeug noch nicht zur Verfügung.
Das Landgericht Ingolstadt hat mit Endurteil vom 11.01.2021 die auf "großen" Schadensersatz, Feststellung des Annahmeverzugs und Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten gerichtete Klage abgewiesen.
Mit der hiergegen gerichteten Berufung verfolgte die Klägerin ihre erstinstanzlichen Anträge in angepasster Höhe weiter und beantragte,
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerpartei EUR 46.861,35 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seitdem 12.02.2019 abzüglich einer Nutzungsentschädigung in Höhe von EUR 21.272,10 Zug-um-Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeuges mit der Fahrgestellnummer [...] zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte seit dem 12.02.2019 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Gegenstands in Annahmeverzug befindet
3. Die Beklagte wird verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.994,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 12.02.2019 zu zahlen.
Die Berufung wurde nach vorangegangenem Hinweis vom 31.03.2022 mit Beschluss des Senats vom 29.04.2022 zurückgewiesen, da nach Auffassung des Senats aufgrund einer über zehnjährigen Fahrzeugnutzung ein etwaiger Schaden inzwischen vollständig ausgeglichen war.
Mit Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom 24.07.2023, Az. VIa ZR 752/22, wurde auf die Revision der Klägerin der Beschluss vom 29.04.2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als hinsichtlich der Berufungsanträge zu 1. und zu 2. zum Nachteil der Klägerin erkannt worden ist. Die Sache wurde zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Mit Schriftsatz vom 01.12.2023 beantragte die Klägerin als Hilfsantrag:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klagepartei einen in das Ermessen des Gerichts gestellten Schadensersatz, mindestens jedoch EUR 5.600,00 nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 12.02.2019 zu zahlen.
Mit...