Leitsatz (amtlich)
1. Zur Kündigung eines Dauerschuldverhältnisses aus wichtigem Grund, wenn auf Seiten des anderen Vertragspartners eine Verschmelzung stattgefunden hat.
2. Die Verschmelzung also solche stellt keinen wichtigen Grund für eine außerordentliche Kündigung im Sinne von § 314 Abs. 1 BGB dar. Hierfür bedarf es besonderer Umstände, die die weitere Erbringung der Dienste durch den übernehmenden Rechtsträger unzumutbar machen; insoweit sind allerdings keine hohen Anforderungen zu stellen (im Anschluss an BGH, Urteil vom 21.02.2014 - V ZR 164/13, NZM 2014, 312; Urteil vom 02.07.2021 - V ZR 201/20, NZG 2021, 1370).
3. Ob ein wichtiger Grund für die Kündigung vorliegt, ist aus der Sicht des betroffenen Unternehmers zu beurteilen. Seine unternehmerische Entscheidung ist der Überprüfung durch die Gerichte auf ihre sachliche Rechtfertigung und Zweckmäßigkeit grundsätzlich entzogen, solange sich das unternehmerische Handeln nicht als willkürlich darstellt (im Anschluss an BAG, Urteil vom 26.09.2002 - 2 AZR 636/01 NZA 2003, 549).
Normenkette
BGB § 314; UmwG § 20
Verfahrensgang
LG München I (Aktenzeichen 15 O 1499/20) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts München I vom 23.06.2021, Az. 15 O 1499/20, abgeändert. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
I. Die Parteien streiten über Ansprüche auf Vergütung im Zusammenhang mit einem Beratungsvertrag sowie einer "Interessentenanalyse" für ein Fitnessstudio.
Die G. M. S. GmbH schloss mit der Beklagten am 16.06.2016 einen Vertrag über eine "Interessenten-Analyse" (Anlage K1). Vertragsbeginn war der 01.07.2016, als Vergütung waren 299,00 EUR netto/Jahr vereinbart. Die Vertragslaufzeit betrug 12 Monate und verlängerte sich um jeweils weitere 12 Monate, wenn der Vertrag nicht bis 3 Monate vor Vertragsende schriftlich gekündigt wurde. Am 23.04.2018 schlossen G. M. S. GmbH und die Beklagte einen "Beratungsvertrag - Erfolgspakete" (Anlage K2). Vertragsbeginn war der 01.05.2018, die Vergütung betrug 1.535,10 EUR brutto/Monat, die Laufzeit 36 Monate.
Die Regelung über die Vertragslaufzeit sieht unter anderem vor, dass sämtliche Honorare bis zum Vertragsende "automatisch" fällig werden, wenn der Vertragspartner mit 2 Monatsbeiträgen schuldhaft in Verzug kommt.
Die Beklagte kündigte außerordentlich mit Schreiben vom 05.04.2019 bzw. 08.04.2019 (Anlage B1) und gab dabei an, dass Grundvoraussetzung der Vertragsunterzeichnung der Gebietsschutz vor allem hinsichtlich der konkurrierenden I-GmbH-Studios gewesen sei, sowie, dass keinerlei Berührungspunkte mit der I-GmbH bestehen sollten. Die Beklagte werde nicht mit I-GmbH -Studios, I-GmbH -Kunden oder I-GmbH -Beratern an einem Tisch sitzen. Ab dem 01.05.2019 bezahlte die Beklagte die monatlichen Beiträge aus dem Beratervertrag sowie die Vergütung aus der Interessenten-Analyse nicht mehr.
Mit Mail vom 09.04.2019 (Anlagenkonvolut B 2) bestätigte die G. M. S. GmbH den Eingang der Kündigung sowie mit Schreiben vom 12.04.2019 (Anlagenkonvolut B 2) die Beendigung aller Verträge zum Ende der vereinbarten Laufzeit am 30.04.2021.
Die G. M. S. GmbH wurde mit Verschmelzungsvertrag vom 18.07.2019 mit der G... GROUP GmbH verschmolzen. Die Klägerin wiederum - ursprünglich firmierend als M. F. D. GmbH - wurde mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 12.02.2019 in A. F. H. GmbH umbenannt. Auf die Klägerin wurde mit Verschmelzungsvertrag vom 05.06.2019 auch die I-GmbH sowie mit weiterem Verschmelzungsvertrag vom 18.07.2019 die G... Group GmbH verschmolzen.
Die Klägerin hat vor dem Landgericht vorgetragen, dass sie im Wege der Verschmelzung Rechtsnachfolgerin der G. M. S. GmbH geworden sei. Sie habe Anspruch auf Bezahlung der gesamten bis zum Ende der regulären Vertragslaufzeit anfallenden Vergütung. Die Verträge seien wirksam, ein außerordentlicher Kündigungsgrund nicht gegeben.
Die Beklagte hat die Unwirksamkeit einzelner Vertragsklauseln eingewandt und ein außerordentliches Kündigungsrecht behauptet.
Auf die tatsächlichen Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils und die dort gestellten Anträge wird ergänzend Bezug genommen.
Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Es sei insbesondere kein Grund für eine außerordentliche Kündigung der streitgegenständlichen Verträge gegeben. Auch sonstige Unwirksamkeitsgründe seien nicht ersichtlich.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vortrags weiterhin die Unwirksamkeit einzelner Vertragsklauseln und das Vorliegen außerordentlicher Kündigungsgründe behauptet. Sie macht insbesondere geltend, dass von 2000 bis 2007 eine Geschäftsbeziehung mit der I-GmbH...