Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufung, Revision, Fahrzeug, Rechtsanwaltskosten, Staatsanwaltschaft, Haftung, Software, Zahlung, Darlegungslast, Berechnung, Kaufpreiszahlung, Zulassung, Kenntnis, Kostenentscheidung, Zug um Zug, nicht ausreichend, Rechtsprechung des BGH
Verfahrensgang
LG Ingolstadt (Urteil vom 22.06.2020; Aktenzeichen 53 O 2888/19) |
Tenor
1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 22.06.2020, Az. 53 O 2888/19, wird zurückgewiesen.
2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 22.06.2020, Az. 53 O 2888/19, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 42.916,32 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 43.320,96 EUR vom 15.01.2020 bis 17.05.2020, aus 43.047,12 EUR vom 18.05.2020 bis 03.04.2022 und aus 42.916,32 seit dem 04.04.2022 Zug, um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des Fahrzeugs der Marke ... ... mit der Fahrgestellnummer ... zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 1.706,94 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15.01.2020 zu bezahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
4. Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz hat die Klagepartei 22%, die Beklagte 78% zu tragen.
3. Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
4. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger 23%, die Beklagte 77% zu tragen.
5. Dieses Urteil und das Urteil des Landgerichts Ingolstadt - soweit es aufrechterhalten wurde - sind vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klagepartei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Gründe
I. Gegenstand des Rechtsstreits sind Ansprüche, die die Klagepartei gegen die Beklagte wegen des Erwerbs eines Diesel-Pkws geltend macht.
Die Klagepartei erwarb am 13.10.2014 zu einem Preis von 48.000 EUR brutto ein von der Beklagten hergestelltes Neufahrzeug ... ... Das Fahrzeug ist mit einem Dieselmotor vom Typ ... ausgestattet. Für den Fahrzeugtyp wurde die Typgenehmigung nach der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schadstoffklasse Euro 5 erteilt. Der Kilometerstand bei Erwerb betrug 0 km, zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung erster Instanz am 18.05.2020 20.092 km und zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 04.04.2022 21.182 km.
Zur Abgasreinigung wird im streitgegenständlichen Fahrzeug die Abgasrückführung eingesetzt. Das Fahrzeug ist betroffen von einem Rückruf wegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung. Die im Zusammenhang mit dem Motor verwendete Software erkennt, ob das Fahrzeug auf einem Prüfstand dem Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) unterzogen wird und schaltet in diesem Fall in den Abgasrückführungsmodus 1, einen Stickoxid (NOx)-optimierten Modus. In diesem Modus findet eine Abgasrückführung mit niedrigem Stickoxidausstoß statt. Im normalen Fahrbetrieb außerhalb des Prüfstands schaltet der Motor dagegen in den Abgasrückführungsmodus 0, bei dem die Abgasrückführungsrate geringer und der Stickoxidausstoß höher ist. Für die Erteilung der Typgenehmigung der Emissionsklasse Euro 5 maßgeblich war der Stickoxidausstoß auf dem Prüfstand. Die Stickoxidgrenzwerte der Euro 5-Norm wurden nur im Abgasrückführungsmodus 1 eingehalten.
Vorgerichtlich forderte die Klagepartei mit anwaltlichem Schreiben vom 22.11.2019 die Rückerstattung des Kaufpreises Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs abzüglich einer Nutzungsentschädigung unter Berücksichtigung des aktuellen Kilometerstandes von 19.000 km bei einer angenommenen Gesamtlaufleistung von 350.000 km sowie die Zahlung der Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung unter Fristsetzung bis zum 29.11.2019.
Mit Klage vom 03.12.2019, bei Gericht eingegangen am gleichen Tag und der Beklagten zugestellt am 14.01.2020, forderte die Klagepartei zuletzt die Erstattung des vollständigen Kaufpreises nebst Delikts- bzw. Verzugszinsen abzüglich einer im Termin auf 2.755,47 EUR bezifferten Nutzungsentschädigung Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung des streitgegenständlichen Fahrzeugs, die Feststellung von Annahmeverzug der Beklagten mit der Rücknahme des Fahrzeugs und die Verurteilung zur Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
Die Beklagte beruft sich auf Verjährung.
Ergänzend wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO.
Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 22.06.2020 teilweise zugesprochen, nämlich verurteilt zur Zahlung in Höhe von 44.785,28 EUR nebst Rechtshängigkeitszinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs sowie zur Zahlung von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.706,94 EUR b...