Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkaufsaktion für Brillenfassungen
Leitsatz (amtlich)
1. Der Eindruck einer wirtschaftlichen Verbindung bzw. einer Sonderbeziehung zwischen einem Werbenden und dem Inhaber der beworbenen Marke, der einen "berechtigter Grund" i.S.v. Art. 13 Abs. 2 UMV darstellen könnte, wird nicht schon alleine dadurch hervorgerufen, dass in der angegriffenen Werbung die Marke mehrfach und besonders exponiert verwendet wird; vielmehr sind zur Beurteilung dieser Frage sämtliche Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen.
2. Dabei kann gegen einen solchen Eindruck einer gemeinsamen Sonderaktion insbesondere der Umstand sprechen, dass bei einer Werbung eines Optikers für Markenbrillenfassungen, die bekanntermaßen für gewöhnlich in einem höheren Preissegment angesiedelt sind, der konkrete Angebotspreis ungewöhnlich niedrig ist. Dem angesprochenen Kunden ist in diesem Fall bewusst, dass dies wegen der potentiellen Gefahr der Rufbeeinträchtigung der Marke nicht im Interesse des Markeninhabers sein wird, so dass er auch nicht davon ausgehen wird, dass sich der Markeninhaber an der Verkaufsaktion beteiligt hat.
3. Im Falle eines nicht selbst produzierenden Lizenzgebers kann ein konkretes Wettbewerbsverhältnis i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 3 UWG nicht nur zu solchen Mitbewerbern bestehen, die das lizenzierte Produkt nachahmen, sondern auch zu solchen Marktteilnehmern, die das Originalprodukt vertreiben, da auch in letzterer Konstellation negative Auswirkungen auf den Absatz des Lizenzgebers denkbar sind.
4. Der angesprochene Verkehr gebraucht in Bezug auf Produkte aus der Modebranche sowie dort in Bezug auf die Kollektionszugehörigkeit die Attribute "neue", "neueste" und "aktuelle" Kollektion synonym und versteht darunter stets nur diejenigen Produkte, die vom Hersteller (und nicht vom Händler) zuletzt auf den Markt gebracht wurden.
5. Die Nichtzugehörigkeit von beworbenen Brillenfassungen zu einer aktuellen Kollektion stellt keine wesentliche Information i.S.v. § 5a Abs. 2 UWG dar.
6. Stellt der erstinstanzlich unterlegene Antragsteller einen Antrag auf Verlängerung der zweimonatigen Berufungsbegründungsfrist und reicht er anschließend den Berufungsbegründungsschriftsatz erst nach Ablauf der ursprünglichen zweimonatigen Berufungsbegründungsfrist ein, legt er ein zögerliches Verhalten an den Tag und zeigt hierdurch, dass ihm die Rechtsdurchsetzung nicht mehr dringlich war.
Normenkette
UMV Art. 9 Abs. 1 S. 2 lit. a), Art. 13 Abs. 1-2; UWG § 2 Abs. 1 Nr. 3, § 5a Abs. 2-3, 5 Abs. 1 S. 2 Nr. 1; ZPO §§ 935, 940
Verfahrensgang
LG München I (Urteil vom 05.01.2016; Aktenzeichen 33 O 17737/15) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) wird das Urteil des LG München I vom 05.01.2016, Az. 33 O 17737/15, in den Ziffern I. und IV. abgeändert. Die einstweilige Verfügung des LG München I vom 06.10.2015 wird aufgehoben und der Antrag vom 05.10.2015 auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
II. Die Berufungen der Antragsgegnerin zu 3) und der Antragstellerin werden zurückgewiesen.
III. Von den Gerichtskosten beider Instanzen haben die Antragstellerin 92 % und die Antragsgegnerin zu 3) 8 % zu tragen. Die Antragstellerin trägt die außergerichtlichen Kosten beider Instanzen der Antragsgegnerin zu 1) und 2) vollumfänglich sowie 77 % der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen der Antragsgegnerin zu 3). Die Antragsgegnerin zu 3) trägt 8 % der außergerichtlichen Kosten beider Instanzen der Antragstellerin. Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten beider Instanzen selbst.
Gründe
I. Die Antragstellerin macht gegen die Antragsgegnerinnen im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens kennzeichen - und wettbewerbsrechtliche Unterlassungsansprüche geltend.
Die Antragstellerin ist Inhaberin der von ihr in erster Linie geltend gemachten Unionsmarke Nr. 10041002 "Jil Sander", eingetragen am 14.11.2011, unter anderem für Brillen (vgl. Anlage A 3), ferner der Unionsmarke Nr. 12754611 "Jil Sander", eingetragen am 27.08.2014, unter anderem für Brillen (vgl. Anlage A 4) sowie der deutschen Wortmarke DE 1060901 "Jil Sander", eingetragen am 14.03.1984, unter anderem für Brillen (vgl. Anlage A 2). Unter diesen Marken vertreibt sie sowohl Bekleidung als auch Parfümeriewaren und Brillenfassungen. Letztere werden seit dem 01.01.2015 durch einen exklusiven Lizenzpartner, die Firma R. GmbH, vertrieben. Seit Mai 2015 ist die neue, von der Firma R. GmbH produzierte Kollektion von Brillenfassungen im Handel erhältlich.
Die Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) betreiben Augenoptikfachgeschäfte. Sie warben wie folgt für eine Verkaufsaktion von Brillenfassungen der Marke "Jil Sander":
Auf dem Flyer sind am unteren Ende die Filialen der Antragsgegnerinnen zu 1) und 2) samt Anschriften angegeben. Die Antragsgegnerin zu 3) betreibt ebenfalls mehrere Augenoptikfachgeschäfte, allesamt in Baden-Württemberg, und ist gleichzeitig Franchisegeberin der "p.-Gruppe".
Die beworbenen Brillenfassungen hatten die Antragsgegnerinnen vo...