Entscheidungsstichwort (Thema)
Rückabwicklung eines im Policenmodell abgeschlossenen Rentenversicherungsvertrages
Leitsatz (amtlich)
1. Hat das Ausgangsgericht einer Klage auf bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines im Policenmodell abgeschlossenen Rentenversicherungsvertrages teilweise stattgegeben und hierbei die Rückabwicklung dem Grunde nach zugelassen, so ist vom Berufungsgericht auch, wenn lediglich der Versicherungsnehmer Berufung eingelegt hat, für den davon betroffenen Teil der Forderung auch zu überprüfen, ob ein Anspruch auf Rückabwicklung dem Grunde nach besteht. Dem steht weder die Rechtskraft des Urteils des Landgerichts noch das Verbot der reformatio in peius entgegen.
2. Auch bei einer drucktechnisch nicht ausreichend hervorgehobenen, im Übrigen aber ordnungsgemäßen Widerspruchsbelehrung kann die Berufung auf das Widerspruchsrecht rechtsmissbräuchlich sein, wenn der Vertrag über 15 Jahre durchgeführt wurde, sodann gekündigt und abgewickelt wurde, der Versicherungsnehmer dann weitere 5 Jahre bis zur Erklärung des Widerspruchs abgewartet hat und offensichtliches Ziel des Widerspruchs eine bloße Renditeerhöhung ist.
3. Die Belehrung zum Fristbeginn dahingehend, dass diese mit Zugang des Policenbegleitschreibens beginnt, ... nachdem Ihnen nunmehr der Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen und die weiteren für den Vertragsinhalt maßgeblichen Verbraucherinformationen (im Sinne des § 10 a des Versicherungsaufsichtsgesetzes) vollständig vorliegen, ist nicht zu beanstanden.
4. Dass in der Belehrung auch auf § 5 a Abs. 2 S. 4 WG a.F. hingewiesen wurde und insoweit der Gesetzestext (zutreffend) wiedergegeben wurde, schadet nicht, auch wenn diese gesetzliche Regelung zu einem späteren Zeitpunkt vom EuGH für europarechtswidrig erklärt wurde.
5. Nutzungen können nur herausverlangt werden, soweit sie aus dem Gegenstand der Bereicherung gezogen wurden, mit diesem also in einem adäquaten Zusammenhang stehen. Nutzungen aus Teilen der Prämie, die für Verwaltungskosten oder anderweitig ausgegeben wurden, können daher nicht mit der Begründung verlangt werden, der Versicherer habe sich erspart, diese Aufwendungen aus seinem Eigenkapital zu tätigen und daher Nutzungen aus seinem Eigenkapital ziehen können.
Normenkette
BGB § 818 Abs. 1; VVG §§ 5a, 8
Verfahrensgang
LG München (Urteil vom 18.01.2018; Aktenzeichen 26 O 10992/17) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 18.01.2018, Az. 26 O 10992/17, wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts München I ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Beschluss
Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 20.693,53 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I. Die Klägerin verlangt bereicherungsrechtliche Rückabwicklung eines im Policenmodell abgeschlossenen Rentenversicherungsvertrages.
Im Jahr 1995 stellte die Klägerin bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten einen Antrag auf eine Rentenversicherung (Anlage K 1). Der Vertrag wurde mit Versicherungsschein vom 27.07.1995 policiert (Anlage K 2). Die Klägerin bezahlte auf den Vertrag in monatlichen Teilbeträgen von 100 DM bzw. 51,13 EUR insgesamt 9.407,92 EUR ein. Im Jahr 2010 kündigte sie den Vertrag und ließ sich den Rückkaufswert mit 12.482,06 EUR auszahlen. Im Jahr 2015 erklärte sie einen Widerspruch gegen das Zustandekommen des Vertrages. Nunmehr verlangt sie weitere 21.093,53 EUR (zuzüglich Zinsen seit 28.12.2015 und Anwaltskosten). Mit dem Hauptsachebetrag verlangt sie Rückzahlung der von ihr bezahlten Beiträge (insgesamt 9.407,92 EUR) zuzüglich behaupteter Nutzungen aus dem Sparanteil ihrer Beiträge (3.477,14 EUR) und Nutzungen in Höhe von 20.689,93 EUR aus dem restlichen Teil der Beiträge, nämlich aus kalkulierten Verwaltungskosten und aus behaupteten kalkulierten Abschlusskosten; die Beklagte bzw. ihre Rechtsvorgängerin hat die kalkulierten Verwaltungskosten im Wesentlichen zur Deckung der Verwaltungskosten verwendet und sie im übrigen als Überschuss ausgeschüttet; Abschlusskosten sind nach Vortrag der Beklagten weder kalkuliert noch angefallen. Anrechnen lässt sich die Klägerin den im Jahr 2010 ausbezahlten Rückkaufswert von 12.482,06 EUR. Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Bezug genommen (Bl. 100/101 d.A.).
Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und der Klägerin 400,00 EUR in Hinblick auf Nutzungen aus dem Sparanteil zugesprochen; der Anspruch der Klägerin auf Rückabwicklung des Vertrages sei nicht verwirkt. Im Übrigen - soweit die Klägerin Nu...