Leitsatz (amtlich)
1. Ist das persönliche Erscheinen einer Prozesspartei zum Termin der mündlichen Verhandlung nach § 141 ZPO vor allem im Hinblick darauf angeordnet worden, um Möglichkeiten einer konsensualen und auf eine nachhaltige Wiederherstellung des Rechtsfriedens gerichtete Streitbeilegung gemeinsam zu erörtern, und erscheint gleichwohl allein der Prozessbevollmächtigte, so erfüllt er die Voraussetzungen des § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO nur dann, wenn er bei funktionaler Betrachtung ein - im Vergleich zu der vertretenen Partei - gleichwertiger Gesprächs- und Ansprechpartner ist. Das ist nicht der Fall, wenn er vor Beginn der Erörterung im Termin erklärt, dass er unabhängig vom Verlauf des Termins nicht bzw. nahezu nicht zu Zugeständnissen an die Gegenpartei ermächtigt worden ist.
2. Das Beschwerdegericht ist darauf beschränkt, den Ordnungsgeldbeschluss auf einen Ermessensnichtgebrauch, einen Ermessensfehlgebrauch bzw. eine Ermessensüberschreitung zu prüfen.
Verfahrensgang
LG Halle (Saale) (Beschluss vom 30.09.2010; Aktenzeichen 4 O 898/10) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Halle vom 30.9.2011 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens hat die Klägerin zu tragen.
Gründe
A. Das Rechtsmittel der Klägerin richtet sich gegen die Verhängung eines Ordnungsgeldes wegen Nichtbefolgung einer Anordnung des persönlichen Erscheinens zum Termin der mündlichen Verhandlung am 30.9.2010. Das LG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Naumburg zur Entscheidung vorgelegt. Die Beteiligten des Ordnungsmittelverfahrens hatten Gelegenheit zur abschließenden Stellungnahme im Beschwerdeverfahren.
B.I. Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist nach §§ 141 Abs. 3 S. 2 i.V.m. 380 Abs. 3, 567 Abs. 1 ZPO zulässig; insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt worden.
II. Das Rechtsmittel hat in der Sache keinen Erfolg. Die angefochtene Entscheidung lässt Fehler in der Ausübung des dem Gericht eingeräumten Ermessens nicht erkennen.
1. Die Voraussetzungen für den Erlass eines Ordnungsmittelbeschlusses gegen die Klägerin als Partei des Rechtsstreits nach §§ 141 Abs. 3 i.V.m. § 380 ZPO lagen vor.
a) Für die Klägerin war im Termin der mündlichen Verhandlung vom 30.9.2010 keiner ihrer gesetzlichen Vertreter erschienen, obwohl mit richterlicher Ladungsverfügung vom 23.8.2010 ihr persönliches Erscheinen angeordnet worden war. Die Ladung einschließlich dieser Anordnung war der Klägerin zugegangen.
b) Durch das Nichterscheinen eines gesetzlichen Vertreters der Klägerin war die Durchführung des Termins beeinträchtigt. Die Anordnung des persönlichen Erscheinens diente, wie der Ladungsverfügung eindeutig zu entnehmen war, u.a. dem Ziel konsensualer Streitbeilegung nach Erörterung der spezifischen rechtlichen und tatsächlichen Aspekte des Streitfalles. Dieses Ziel wurde verfehlt.
c) Dem steht hier nicht entgegen, dass die Prozessbevollmächtigte der Klägerin erklärt hat, ihr sei eine Vollmacht zum Vergleichsabschluss erteilt worden.
aa) Zwar verweist die Klägerin zu Recht darauf, dass die Anordnung eines Ordnungsgeldes gegen eine Partei nach § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO nicht in Betracht kommt, wenn die nicht erschienene Partei einen Vertreter entsendet, der in der Lage ist, die nach dem Inhalt der Ladung und der Anordnung des persönlichen Erscheinens erkennbaren Zwecke zu erfüllen. Im vorliegenden Falle kam es danach insbesondere darauf an, dass der jeweilige Vertreter zu Vergleichsverhandlungen unter Berücksichtigung des Inhalts und des Verlaufs der Erörterungen im Termin zu führen ermächtigt war.
bb) Ein zum Vergleichsabschluss ermächtigter Vertreter einer Prozesspartei erfüllt die Voraussetzungen des § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO nur dann, wenn er im funktionalen Sinne der durchzuführenden mündlichen Verhandlung wirklich ein gleichwertiger Gesprächs- und Ansprechpartner im Hinblick auf die vertretene Prozesspartei ist. Mit anderen Worten: Das Nichterscheinen der Partei muss durch den Vertreter vollständig kompensiert werden. Die Risiken, die damit verbunden sind, dass die Prozesspartei die Zwecke der sie betreffenden Anordnung des persönlichen Erscheinens fehlinterpretiert und den Vertreter unzureichend instruiert und bevollmächtigt bzw. dass der Vertreter im Termin trotz möglicherweise ausreichender Vorbereitung und Ausstattung seiner Funktion dennoch nicht gerecht wird, hat die vertretene Partei zu tragen. Für die Anordnung eines Ordnungsgeldes genügt auch ein fahrlässiger Verstoß gegen die Erscheinenspflicht.
cc) Nach diesen Maßstäben erfüllte die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Voraussetzungen des § 141 Abs. 3 S. 2 ZPO nicht. Das LG hat sich dabei zu Recht allein auf diejenigen Angaben bezogen, welche die Prozessbevollmächtigte der Klägerin zum Umfang ihrer Kompetenzen im Termin der mündlichen Verhandlung gemacht hat und die in der Sitzungsniederschrift protokolliert sind. Sie war danach nicht ermächtigt, über die Höhe der offenen Restfo...