Leitsatz (amtlich)
Um zur Anwendbarkeit der Ausnahmebestimmung des § 1603 Abs. 2 Satz 3 BGB zu gelangen, müssen die Einkommensunterschiede des betreuenden und des nicht betreuenden Elternteils erheblich sein. Der Senat nimmt - in ständiger Rechtsprechung - an, dass der betreuende Elternteil etwa über das dreifache Einkommen des nicht betreuenden Elternteils verfügen muss, um letzteren von der Haftung für Barunterhalt freizustellen.
Verfahrensgang
AG Weißenfels (Entscheidung vom 21.02.2012; Aktenzeichen 5 F 416/11 UK) |
Tenor
I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der am 21. Februar 2012 verkündete Beschluss des Amtsgerichts - Familiengerichts - W. unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragstellerin für die beiden gemeinschaftlichen Kinder folgenden Kindesunterhalt zu zahlen:
für das (am 27. August 2004 geb.) Kind J. :
für die Zeit ab Juli 2011 93,1 % des Mindestunterhalts, jeweilige Altersstufe,
abzüglich hälftigen Kindergelds für ein 1. Kind in Höhe von EUR 92 monatlich zurzeit,
für das (am 27. Februar 2007 geb.) Kind A. :
für die Zeit ab Juli 2011 93,3 % des Mindestunterhalts, jeweilige Altersstufe,
abzüglich hälftigen Kindergelds für ein 2. Kind in Höhe von EUR 92 monatlich zurzeit.
Der weitergehende Zahlungsantrag wird abgewiesen.
II. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.
Der Beschwerdewert beträgt EUR 3.696.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt - in Verfahrensstandschaft für zwei eheliche Kinder - vom Antragsgegner Kindesunterhalt, und zwar für die Zeit ab Juli 2011.
Die Antragstellerin und der Antragsgegner haben am 23. April 2004 die Ehe miteinander geschlossen. Aus der Ehe sind zwei Kinder, nämlich
- das (am 27. August 2004 geb.) Kind J. und
- das (am 27. Februar 2007 geb.) Kind A.
hervorgegangen, um die es im vorliegenden Verfahren geht. Am 04. Januar 2011 trennte sich die Antragstellerin innerhalb der Ehewohnung, die sich in W. befand, vom Antragsgegner und machte gegen ihn beim Familiengericht ein Verfahren auf Zuweisung der Ehewohnung anhängig (5 F 211/11 AG Weißenfels).
Während des (am 15. September 2011 erledigten) Verfahrens zog der Antragsgegner am 01. Juni 2011 aus der Ehewohnung aus, so dass sich die beiden gemeinschaftlichen Kinder seitdem in der alleinigen Obhut der Antragstellerin befinden. Inzwischen wohnt die Antragstellerin mit den Kindern in D. und der Antragsgegner wohnt seit seinem Auszug aus der Ehewohnung in einem möblierten Zimmer in N. (Bl. 2 VkH-Heft Antragsgegner).
Mit Schreiben vom 04. Juli 2011 mahnte die Antragstellerin - als Vertreterin der Kinder - eine Auskunft über das Einkommen des Antragsgegners an.
Nachdem der Antragsgegner die Auskunft erteilt hatte, machte die Antragstellerin am 05. Oktober 2011 - in Verfahrensstandschaft für die Kinder - beim Familiengericht das vorliegende Kindesunterhaltsverfahren anhängig, in dem sie begehrte, den Antragsgegner zu verpflichten, für jedes Kind jeweils für die Zeit ab Juli 2011 Kindesunterhalt in Höhe von 100 % des Mindestunterhalts abzüglich hälftigen Kindergelds zu zahlen.
Das Familiengericht hat dem Antrag nur teilweise stattgegeben und den Antragsgegner - auf Grund mündlicher Verhandlung vom 17. Januar 2012 - mit einem am 21. Februar 2012 verkündeten Beschluss zur Zahlung folgenden Kindesunterhalts verpflichtet:
- für das (am 27.08.04 geb.) Kind J. (zurzeit 2. Altersstufe):
für die Zeit ab Juli 2011 66,21 % Mindestunterhalt
abzgl. hälftigen Kindergelds für ein 1. Kind i.H.v. EUR 92 monatlich zurzeit,
- für das (am 27.02.07 geb.) Kind A. (zurzeit 1. Altersstufe):
für die Zeit ab Juli 2011 65,94 % Mindestunterhalt
abzgl. hälftigen Kindergelds für ein 2. Kind i.H.v. EUR 92 monatlich zurzeit.
Gegen diese - ihr am 01. März 2012 zugestellte - Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der am 28. März 2012 beim Familiengericht eingelegten und sogleich begründeten Beschwerde, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag weiterverfolgt.
Am 12. Juni 2012 wurde die Ehe der Beteiligten geschieden.
II. Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin (§§ 58 ff., § 117 FamFG) ist überwiegend begründet:
1. Die Antragstellerin kann Kindesunterhalt in Verfahrensstandschaft für die beiden ehelichen Kinder geltend machen, die sich in ihrer alleinigen Obhut befinden (§ 1629 Abs. 3 BGB).
2. Die Antragstellerin kann Kindesunterhalt für die Zeit ab Juli 2011 beanspruchen, weil sie - als Vertreterin der beiden Kinder (§ 1629 Abs. 2 BGB) - mit Schreiben vom 04. Juli 2011 eine Auskunft über das Einkommen des Antragsgegners angemahnt hat (§ 1613 Abs. 1 BGB).
3. Weil für jedes der beiden Kinder - für die Zeit ab Juli 2011 - nur Kindesunterhalt bis zu 100 % des Mindestunterhalts (§ 1612a BGB) abzüglich hälftigen Kindergelds
(§ 1612b BGB) geltend gemacht wird, hat der Antragsgegner die gesetzliche Vermutung seiner Leistungsfähigkeit zu entkräften (vgl. Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlic...