Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung eines in erster Instanz unmittelbar nach Bekanntgabe des Scheidungsverbundbeschlusses erklärten Rechtsmittelverzichts durch die beteiligten Eheleute als umfassender Rechtsmittelverzicht bezogen auf alle Teile der Verbundentscheidung, insbesondere auch hinsichtlich des Versorgungsausgleichs.

 

Verfahrensgang

AG Weißenfels (Beschluss vom 08.04.2014; Aktenzeichen 5 F 197/13)

 

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Weißenfels vom 8.4.2014, Aktenzeichen 5 F 197/13 S, wird auf ihre Kosten verworfen.

Der Beschwerdewert beträgt 1.000 EUR.

 

Gründe

I. Die Beteiligten haben dem AG beiderseitig die Scheidung ihrer Ehe angetragen. Das AG holte Auskünfte der beteiligten Vorsorgungsträger ein und übersandte diese sowie den Entwurf der beabsichtigten Entscheidung zum Versorgungsausgleich, der u.a. die externe Teilung des zugunsten der Antragstellerin bestehenden Anrechts bei der

M. Lebensversicherung AG vorsah, den Beteiligten zum Zwecke rechtlichen Gehörs. In der mündlichen Verhandlung vor dem Familiengericht erklärten die Verfahrensbevollmächtigten der beteiligten Ehegatten, dass keine Einwände gegen die Auskünfte und die beabsichtigte Entscheidung bestünden. Auf beiderseitigen Scheidungsantrag hat das AG durch Verbundbeschluss vom 8.4.2014 die Ehe der Beteiligten geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Nachdem das Familiengericht den Verbundbeschluss verkündet hatte, gaben die Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu Protokoll folgende Erklärung ab:

"Wir verzichten auf das Rechtsmittel der Beschwerde, das Rechtsmittel der Anschlussbeschwerde, Anträge nach § 147 FamFG sowie auf eine schriftliche Begründung des Scheidungsausspruches gem. § 38 FamFG.".

Ausweislich des Sitzungsprotokolls des AG vom 8.4.2014 (Bl. 34 d.A.) wurde diese Erklärung vorgespielt und genehmigt.

Die Antragstellerin hat gegen die Entscheidung zum Versorgungsausgleich rechtzeitig Beschwerde eingelegt. Sie vertritt die Ansicht, dass die Beschwerde zulässig sei, weil sich der erklärte Rechtsmittelverzicht nur auf die Ehesache bezogen habe.

II. Die Beschwerde der Antragstellerin ist unzulässig, weil der von ihr erklärte Rechtsmittelverzicht wirksam ist, § 67 Abs. 1 FamFG und sich offensichtlich auf sämtliche Teile der Verbundentscheidung bezieht (BGH NJW-RR 2007, 145).

Die Erklärung des Rechtsmittelverzichts gegenüber dem Gericht ist eine Verfahrenshandlung, deren Inhalt und Tragweite vom Senat aus der gebotenen objektiven Sicht (BGH FamRZ 1981, 947; FamRZ 1986, 1089) zu beurteilen ist, wobei die wechselseitigen Interessen der Beteiligten zu berücksichtigen sind.

Bedenken, die gegen die Wirksamkeit der Erklärung sprechen könnten, werden von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht und sind auch sonst nicht ersichtlich. Er ist insbesondere im Gesetzessinne nach Bekanntgabe des Beschlusses, d.h. hier nach der Verkündung, § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. §§ 339 Abs. 1, 310 Abs. 1 S. 1, 311 Abs. 2 S. 1 ZPO, u.a. durch mündliche Bezugnahme auf die Beschlussformel, vgl. § 142 Abs. 3 FamFG, erfolgt. Außerdem enthält das Protokoll gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 162 Abs. 1 S. 1 ZPO den Vermerk, dass die Aufzeichnungen insoweit vorgelesen und genehmigt worden sind, ohne dass dies indessen Voraussetzung für die Wirksamkeit des Rechtsmittelverzichts wäre (BGH FamRZ 1984, 372).

Auch der Umstand, dass die Wirksamkeit eines Rechtsmittelverzichts nach allgemeiner Auffassung (vgl. Keidel/Sternal, FamFG, 18. Aufl., § 67 Rz. 9) voraussetzt, dass der Inhalt der Entscheidung und der Umfang der Beschwer bereits feststellbar ist, ist hier erfüllt. Es lag nicht nur der gefasste Tenor der vom AG getroffenen Entscheidung im Zeitpunkt ihrer Verkündung am 8.4.2014 vor, sondern den Beteiligten war bereits am 24.2.2014 der vollständige Entwurf der beabsichtigten Entscheidung zur Kenntnis gebracht worden, ohne dass die Antragstellerin (bzw. der Antragsgegner und die Versorgungsträger) Bedenken dagegen erhoben hätte. Mithin stand der Inhalt des erstinstanzlichen Beschlusses unabänderlich fest.

Der von der Antragstellerin erklärte Rechtsmittelverzicht ist als umfassender Verzicht auf Rechtsmittel gegen die Verbundentscheidung auszulegen. Die Beteiligten haben nach dem unstreitigen Wortlaut des Rechtsmittelverzichts nicht nur auf das Rechtsmittel der Beschwerde, sondern auch auf das Rechtsmittel der Anschlussbeschwerde und die Stellung eines Antrages nach § 147 FamFG verzichtet. Während der Verzicht auf Anschlussrechtsmittel noch sinnvoll erscheinen kann, wenn sich beide Verzichtserklärungen auf den Scheidungsausspruch beschränken, lässt sich aus dem gleichzeitigen Verzicht auf Anträge nach § 147 FamFG eindeutig entnehmen, dass die Erklärungen der Beteiligten auch die allein mit entschiedene Folgesache des Versorgungsausgleichs umfasst. Denn dieser Verzicht hätte für den Scheidungsausspruch keinen Sinn, wenn dieser nach Verzicht auf Beschwerde und Anschlussbeschwerde nach § 144 FamFG ohnehin bereits re...

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