Leitsatz (amtlich)

Zur Kostenentscheidung nach § 93 ZPO im Falle eines erst im Verlaufe des Rechtsstreits (aufgrund veränderter Sachlage) erklärten Anerkenntnisses.

 

Verfahrensgang

LG Halle (Saale) (Aktenzeichen 14 O 66/01)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird die Kostenentscheidung im Urteil der 14. Zivilkammer des LG Halle vom 12.10.2001 – 14 O 66/01 – abgeändert:

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger.

Den Klägern werden die Kosten des Beschwerdeverfahrens auferlegt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Der Beschwerdewert wird auf die Gebührenstufe bis 4.000 DM festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Kläger haben die Beklagten auf Räumung des auf dem, ihnen gehörenden Grundstück T. straße 9 in Halle aufstehenden Gebäudes in Anspruch genommen, mit Ausnahme einer an Herrn N. vermieten Gewerbefläche. Vorausgegangen war dem Herausgabeverlangen der Versuch der Beklagten, die in einem Teil des Gebäudes eine Eisdiele betrieben, das Grundstück von der H. AG zu erwerben. Die Beklagten haben den über die Eisdiele hinaus gehenden Besitz bestritten und sich im Übrigen auf einen Mietvertrag mit dem VEB Gebäudewirtschaft vom 9.8.1979 berufen. Die Kläger kündigten daraufhin mit Schriftsatz vom 17.7.2001 das Mietverhältnis. Dieser Kündigung haben die Beklagten nicht widersprochen, sondern ihrerseits erklärt, die Eisdiele bis spätestens 31.12.2001 räumen zu wollen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem LG am 21.9.2001 haben die Kläger sodann unter Aufrechterhaltung des bisherigen Begehrens „hilfsweise” beantragt, die Beklagten zu verurteilen, die als Eisdiele genutzten Räume spätestens zum 31.12.2001 zu räumen.

Diesen Antrag haben die Beklagten anerkannt und im weiteren die Abweisung der Klage beantragt.

Durch Urteil vom 12.10.2001 hat das LG die Beklagten auf ihr Anerkenntnis hin verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Kosten hat die Kammer den Klägern zu – und den Beklagten zu auferlegt. Gegen diese, ihrem Prozessbevollmächtigten am 18.10.2001 zugestellte Entscheidung wenden sich die Beklagten mit der am 1.11.2001 beim LG eingegangenen sofortigen Beschwerde.

II. Für die Entscheidung über das Rechtsmittel der Beklagten ist weiterhin die Zivilprozessordnung (ZPO) in der am 31.12.2001 geltenden Fassung maßgeblich, da die angefochtene Entscheidung vor dem 1.1.2002 ergangen ist (§ 26 Nr. 10 EGZPO). Die danach gem. §§ 99 Abs. 2 S. 1, 577 Abs. 2 a.F. ZPO im Umfang der auf den anerkannten Anspruchsteil entfallenden Kosten zulässige sofortige Beschwerde (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 99 Rz. 8) hat in der Sache Erfolg.

Nach § 93 ZPO sind die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen, wenn der Beklagte nicht durch sein Verhalten zur Erhebung der Klage Veranlassung gegeben hat und den Anspruch sofort anerkennt. Das LG hat hierzu die Auffassung vertreten, dass das vorprozessuale Verhalten der Beklagten für die Kläger Grund genug gewesen sei, auch wegen der Räumung der Eisdiele Klage zu erheben. Damit verkennt die Kammer die Entwicklung, die der Rechtsstreit genommen hat.

Der Beklagte gibt Veranlassung zur Klageerhebung, wenn sein Verhalten vernünftigerweise den Schluss auf die Notwendigkeit eines Prozesses rechtfertigt (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 93 Rz. 29). Nach der Entscheidung des LG hatten die Beklagten über die Eisdiele hinaus keinen Besitz an den heraus verlangten Räumen. Bezüglich der Eisdiele habe aufgrund des Mietvertrages aus dem Jahre 1979 ein Besitzrecht bestanden. Auf dieses Besitzrecht konnten sich die Beklagten vor und nach Klageerhebung berufen, so dass die Klage zunächst auch bezüglich der Eisdiele unschlüssig war. Zwar soll es für die Frage, ob der Beklagte zur Klage Veranlassung gegeben hat, nicht auf die materielle Rechtslage ankommen (OLG Schleswig JurBüro 1982, 1569 ≪1570≫; Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 93 Rz. 3; a.A. OLG Düsseldorf v. 23.11.1992 – 20 W 61/92, OLGReport Düsseldorf 1993, 77 = MDR 1993, 801; Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 60. Aufl., § 93 Rz. 59 – Stichwort: Unschlüssigkeit). Dies kann aber dann nicht gelten, wenn sich die Prozesssituation aufgrund neuer rechtserheblicher Umstände verändert, wie sie hier in der erklärten Kündigung des Mietverhältnisses eingetreten waren und in dem „Hilfsantrag” der Kläger zum Ausdruck kamen. Bis zur Beendigung des besitzrechtsverschaffenden Mietverhältnisses bestand vernünftigerweise kein Anlass, gegen die Beklagten wegen der Eisdiele gerichtlich vorzugehen, zumal sie den Räumungsanspruch nach und im Umfang der Kündigung nie bestritten haben. Die Beklagten hatten demnach insoweit gerade keine Veranlassung zur Räumungs- und Herausgabeklage gegeben (Stein-Jonas/Bork, ZPO, 21. Aufl., § 93 Rz. 13).

Auch ein sofortiges Anerkenntnis lässt sich ausmachen. Die Beklagten konnten angesichts der Unschlüssigkeit der Klage abwarten, bis die Kläger die Klage schlüssig machten und dann sofort anerkennen (Zöller/Herget, ZPO, 22. Aufl., § 93 Rz. 6 – Stichwort: unschlüssige Klage). Erst die durch die...

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