Leitsatz (amtlich)
Hat ein Betroffener Angaben zur Fahrereigenschaft und den wirtschaftlichen Verhältnissen gemacht und einen Antrag auf Entbindung von der Hauptverhandlung gestellt, ist in der Regel davon auszugehen, dass er keine weiteren Angaben machen und ansonsten von seinem Schweigerecht Gebrauch machen will. Die bloße Spekulation, der Betroffene könne sich in der Hauptverhandlung weitergehend einlassen, rechtfertigt deshalb keine Ablehnung des Entbindungsantrages.
Verfahrensgang
AG Salzwedel (Entscheidung vom 12.12.2013; Aktenzeichen 23 OWi 591 Js 14763/13) |
Tenor
Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Salzwedel vom 12. Dezember 2013 aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.
Gründe
I.
Die Bußgeldbehörde hatte gegen den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung vom 2. Juli 2013 eine Geldbuße und ein Fahrverbot verhängt. Dagegen hat der Betroffene rechtzeitig Einspruch eingelegt, das Amtsgericht hat die Sache auf den 12. Dezember 2013 terminiert. Mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 11. Dezember 2013 beantragte der Betroffene, ihn von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entbinden. Weiter wurde mitgeteilt, dass der Betroffene, der bis dahin zu dem Vorwurf geschwiegen hatte, einräumte, der Fahrzeugführer gewesen zu sein, er lebe in geregelten wirtschaftlichen Verhältnissen.
Das Amtsgericht hat es mit Beschluss vom selben Tage abgelehnt, den Betroffenen von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen zu entbinden, weil die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG nicht vorlägen. Eine weitere Begründung enthält der Beschluss nicht. Zur Verhandlung am darauffolgenden Tage sind weder der Betroffene noch der Verteidiger erschienen. Daraufhin hat das Amtsgericht mit Urteil vom 12. Dezember 2013 den Einspruch des Betroffenen verworfen und diese Entscheidung auf § 74 Abs. 2 OWiG gestützt.
Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen. Form- und fristgerecht beanstandet er, der Einspruch hätte nicht nach § 74 Abs. 2 OWiG verworfen werden dürfen, weil die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG für seine Entbindung von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung vorgelegen hätten.
Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.
II.
Das Rechtsmittel dringt mit der Verfahrensbeschwerde durch.
Nach § 73 Abs. 2 OWiG entbindet das Gericht den Betroffenen auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum Erscheinen in der Hauptverhandlung, wenn er sich zur Sache geäußert hat und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist. Die Entscheidung des Gerichts über den Entbindungsantrag steht nicht in seinem Ermessen (Göhler, OWiG, 16. Auflage, Rdnr. 5 zu § 73). Dies zugrunde gelegt, hätte das Gericht dem Entbindungsantrag stattgeben müssen.
1. Der Betroffene hat sich mit Schriftsatz vom 11. Dezember 2013 zur Sache geäußert, nämlich dahingehend, er sei der Fahrzeugführer gewesen und lebe in geregelten wirtschaftlichen Verhältnissen. Das ist zwar nur eine lückenhafte Einlassung, indes kann sich der Betroffene auf eine solche beschränken, weil er nicht zu substantiellen Einlassungen verpflichtet ist (Göhler, aaO., Rdnr. 6 zu § 73).
2. Seine Anwesenheit war auch nicht zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts erforderlich.
Der Betroffene hat seine Fahrereigenschaft eingeräumt, ebenso hat er hinreichende Angaben über seine wirtschaftlichen Verhältnisse gemacht. Weitere Gesichtspunkte, hinsichtlich derer Angaben des Betroffenen zu seinen persönlichen Verhältnissen und zu dem Tatvorwurf Aufklärung hätten bringen können, waren und sind nicht ersichtlich. Die bloße Spekulation, derartiger Angaben seien nicht auszuschließen, rechtfertigt es nicht, den Entbindungsantrag abzulehnen. Davon abgesehen sind die knappen Angaben des Betroffenen, verbunden mit der Mitteilung des Verteidigers, die "Terminsteilnahme meines Mandanten" sei "daher nicht erforderlich", bei sachgerechter Auslegung dahingehend zu verstehen, dass er über die schriftlichen Angaben hinaus keinerlei weitere Kommunikation mit dem Gericht wünschte. Der Schriftsatz des Verteidigers war daher, selbst wenn dies nicht ausdrücklich so vorgetragen wurde, dahingehend auszulegen, dass der Betroffene, falls er zum Erscheinen in der Hauptverhandlung gezwungen werde, sich auf die schriftlichen Angaben beziehen und im übrigen von seinem Schweigerecht Gebrauch machen werde.
Fundstellen
Haufe-Index 7040144 |
SVR 2014, 3 |