Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsführung II

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine sofortige Beschwerde gegen die Kostenfestsetzung der Vergabekammer ist nach § 116 Abs. 1 GWB auch dann statthaft, wenn sie allein auf die vermeintlich fehlerhafte Bestimmung des Gegenstandswertes der anwaltlichen Tätigkeit gestützt wird.

2. Der Gegenstandswert für die Berechnung der im vergaberechtlichen Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer angefallenen Rechtsanwaltsgebühren bestimmt sich nach § 50 Abs. 2 GKG n.F. i.V.m. § 23 Abs. 1 S. 3 RVG und beträgt 5 % der Bruttoauftragssumme. Das gilt auch, wenn der Antragsteller mit seinem Nachprüfungsantrag die Aufhebung der Ausschreibung anstrebt.

3. Bei der Berechnung des Gegenstandswertes eines befristeten Dienstleistungsauftrages ist als Bruttoauftragssumme das Entgelt während der gesamten Vertragslaufzeit (hier: 10 Jahre), ggf. einschließlich Verlängerungsoption, zu berücksichtigen (OLG Naumburg, Beschl. v. 30.12.2002 - 1 Verg 11/02, OLGReport Naumburg 2003, 255 = NZBau 2003, 464).

 

Verfahrensgang

Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 09.02.2005; Aktenzeichen 1 VK LVwA 56/04)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Kostenfestsetzungsbeschluss der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt vom 9.2.2005 teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Antragstellerin trägt die durch die anwaltliche Vertretung erwachsenen notwendigen Aufwendungen des Antragsgegners im Nachprüfungsverfahren.

Diese Aufwendungen sind dem Antragsgegner i.H.v. 8.471,25 EUR zu erstatten.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, einschließlich der außergerichtlichen Auslagen des Antragsgegners.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.781,67 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit Veröffentlichung im Supplement zum Amtsblatt der EURpäischen Gemeinschaften vom 10.4.2004 schrieb der Antragsgegner im Wege eines Offenen Verfahrens auf der Grundlage der Verdingungsordnung für Leistungen (VOL) zur Sicherstellung einer ordnungsgemäßen Abwasserableitung die vollumfängliche kaufmännische und technische Betriebsführung einschließlich der Vorbereitung und Durchführung der Abgabenerhebung und anderer hoheitlicher Aufgaben als Dienstleistungsauftrag mit einer Vertragsdauer von 10 Jahren aus.

Die Antragstellerin beteiligte sich als Bieterin an der öffentlichen Ausschreibung. Ihre Nettoangebotssumme betrug 1.691.197 EUR pro Jahr.

Mit Beschl. v. 28.9.2004 hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückgewiesen und der Antragstellerin die Kosten des Verfahrens (Gebühren und Auslagen) auferlegt, die sie auf insgesamt 2.572,33 EUR festgesetzt hat. Ferner hat die Vergabekammer festgestellt, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten durch den Antragsgegner notwendig war. Der Beschl. v. 28.9.2004 wurde von keinem der Beteiligten angefochten.

Nach dem rechtskräftigen Abschluss des Nachprüfungsverfahrens hat der Antragsgegner beantragt, die ihm zu erstattenden Aufwendungen auf 9.409,92 EUR festzusetzen. Dabei hat er wegen der zehnjährigen Vertragslaufzeit einen Streitwert von 845.598,50 EUR zugrunde gelegt und 2,0 Geschäftsgebühren nach Nr. 2400 RVG-VV geltend gemacht.

Die Antragstellerin ist dem entgegen getreten. Sie hat eine Gebührenquote von höchstens 0,3 als angemessen erachtet und außerdem die Vertragslaufzeit nicht als ausschlaggebend für die Streitwertberechnung angesehen. Der Antrag für das Nachprüfungsverfahren habe die Aufhebung einer nicht gesetzeskonformen Ausschreibung bewirken sollen. Das Ergebnis wäre nicht unbedingt einem Zuschlag für die Antragstellerin gleichzusetzen gewesen.

Die Vergabekammer hat die dem Antragsgegner durch die anwaltliche Vertretung erwachsenen notwendigen Aufwendungen mit Beschl. v. 9.2.2005 auf 2.689,58 EUR festgesetzt. Den weiter gehenden Antrag des Antragsgegners hat sie zurückgewiesen.

Dabei hat die Kammer als Gegenstandswert den Nettojahresbetrag des Angebots der Antragstellerin zugrunde gelegt. Weshalb der Antragsgegner den zehnfachen Jahresbetrag in Ansatz bringe, sei nicht nachvollziehbar. Außerdem seien nur 1,8 Gebühren angemessen.

Gegen diesen Kostenfestsetzungsbeschluss hat der Antragsgegner insoweit Beschwerde eingelegt, als der Berechnung nach seiner Meinung ein zu niedriger Streitwert zugrunde gelegt worden sei. Er ist der Ansicht, es müsse nicht nur auf den Jahrespreis, sondern auf den Angebotswert für die gesamte Vertragslaufzeit abgestellt werden. Auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 845.598,50 EUR beantragt er deshalb die an ihn zu erstattenden Kosten auf insgesamt 8.471,25 EUR festzusetzen. Die Gebührenquote von 1,8 greift er nicht an.

Die Antragstellerin ist dem entgegen getreten und beantragt die Abweisung der Beschwerde. Sie hält die Beschwerde für unzulässig, weil sie sich nur gegen die Streitwertbestimmung richte, nicht aber gegen die Kostenfestsetzung als solche. Außerdem sei der Antragsgegner nicht beschwert. Belastet seien allenfalls die Verfahrensbev...

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