Leitsatz (amtlich)
1. Hat die Vergabekammer im Kostenfestsetzungsverfahren unzulässigerweise eine isolierte Festsetzung des Gegenstandswertes vorgenommen, so kann der Vergabesenat im Verfahren der sofortigen Beschwerde gegen diese Entscheidung die gesamte Kostenfestsetzung an sich ziehen, wenn die Beteiligten einer solchen Entscheidung nicht widersprechen.
2. Der gesetzlich nicht definierte Begriff der Auftragssumme in § 50 Abs. 2 GKG ist dahin auszulegen, dass auf die geprüfte Bruttoangebotssumme desjenigen Angebots des Antragstellers abzustellen ist, welches eine Chance auf Zuschlagerteilung haben soll. Liegt ein Angebot des Antragstellers noch nicht vor, so ist auf die fiktive Angebotssumme bzw. - soweit hierfür individuelle Anhaltspunkte fehlen - auf den objektiven Wert der zu vergebenden Leistungen abzustellen.
Hierfür bieten regelmäßig insb. die Schätzungen des Auftraggebers im Hinblick auf eine Überschreitung bzw. Unterschreitung des Schwellenwertes einen hinreichenden Anhaltspunkt. Bei einem inzwischen fortgeschrittenen Vergabeverfahren können auch die in der späteren Angebotsphase von anderen Bietern erklärten Angebotspreise einen gewichtigen Anhaltspunkt für den Wert des zu vergebenden Auftrags darstellen.
3. Zur Unbilligkeit der Bestimmung des Höchstgebührenansatzes von 2,5-fachen Gebühren in einem Nachprüfungsverfahren mit mündlicher Verhandlung vor der Vergabekammer.
4. Im Kostenfestsetzungsverfahren kann eine Rahmengebühr nach § 14 Abs. 1 S. 4 RVG festgesetzt werden, ohne dass zuvor ein Gutachten des Vorstandes der zuständigen Rechtsanwaltskammer eingeholt werden muss.
Verfahrensgang
Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt (Beschluss vom 01.06.2005; Aktenzeichen 1 VK LVwA 01/05) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt vom 1.6.2005, 1 VK LVwA 01/05, aufgehoben.
Auf den Antrag der Antragstellerin vom 22.3.2005 werden die vom Antragsgegner an die Antragstellerin zu erstattenden Auslagen für das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer auf 1.823,64 EUR festgesetzt. Der weiter gehende Antrag wird abgewiesen.
Die gerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens werden niedergeschlagen; eine Erstattung der außergerichtlichen Auslagen der Beteiligten findet nicht statt.
Der Streitwert für die Gebührenberechnung im Beschwerdeverfahren wird auf eine Gebührenstufe bis zu 1.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Im vorliegenden Nachprüfungsverfahren hat die 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt dem Nachprüfungsantrag der Antragstellerin mit Beschl. v. 16.2.2005 stattgegeben und den Antragsgegner zur Kostentragung verpflichtet. Zugleich wurden die Gebühren und Auslagen der Vergabekammer festgesetzt.
Mit Kostenfestsetzungsantrag vom 22.3.2005 hat die Antragstellerin die Festsetzung ihrer außergerichtlichen Auslagen nach einem Gegenstandswert von 19.500 EUR beantragt.
Die Vergabekammer hat mit Beschl. v. 1.6.2005 ihre o.g. Entscheidung ergänzt und den Gebührenstreitwert ohne Anhörung der Beteiligten auf 40.000 EUR festgesetzt. Zur Begründung führt sie lediglich aus, dass sich der geschätzte Auftragswert auf 800.000 EUR belaufe.
Gegen diesen, ihm am 7.6.2005 zugestellten Beschluss wendet sich der Antragsgegner mit seiner am 21.6.2005 vorab per Fax eingegangenen sofortigen Beschwerde. Hierin werden Ausführungen zum Gegenstand des ausgeschriebenen Auftrags und zum geschätzten Auftragswert sowie zum Spektrum der Angebotsendsummen der Beteiligten gemacht.
Der Antragsgegner beantragt, unter Aufhebung des Beschlusses der 1. Vergabekammer beim Landesverwaltungsamt vom 1.6.2005, 1 VK LVwA 01/05, den Streitwert auf 19.500 EUR festzusetzen.
Die Antragstellerin hat keinen Antrag gestellt.
Der Senat hat mit Zustimmung beider Beteiligter das schriftliche Verfahren angeordnet und zuletzt den 16.8.2005 als Schlusstermin bestimmt. Der Senat hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass er beabsichtige, im Beschwerdeverfahren nicht isoliert über den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit zu entscheiden, sondern die Kostenfestsetzung insgesamt vorzunehmen. Er hat weitere Hinweise zur Begründetheit des Kostenfestsetzungsantrages gegeben; wegen der Einzelheiten wird auf den Beschl. v. 2.8.2005 Bezug genommen.
Hierzu haben die Antragstellerin und der Antragsgegner jeweils mit Schriftsatz vom 16.8.2005, die jeweils am selben Tage per Fax beim OLG Naumburg eingegangen sind, abschließend Stellung genommen. Die Antragstellerin hat ihren Kostenfestsetzungsantrag vom 22.3.2005 aufrecht erhalten und hinsichtlich der beanstandeten Positionen die Abrechnung ergänzt.
II. Die sofortige Beschwerde des Antragsgegners ist nach § 116 Abs. 1 GWB zulässig. Das Rechtsmittel ist rechtzeitig eingelegt und begründet worden. Die sofortige Beschwerde ist auch statthaft gegen eine isolierte Entscheidung der Vergabekammer im Rahmen der Kostenfestsetzung.
Das Rechtsmittel des Antragsgegners hat auch in der Sache Erfolg; der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit für die Antr...