Normenkette
ZPO § 36 Abs. 1 Nr. 6
Verfahrensgang
Tenor
Als zuständiges Gericht wird das LG München I bestimmt.
Gründe
1. Die Voraussetzungen für eine Bestimmung der Zuständigkeit nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO liegen vor. Sowohl das LG Halle als auch das LG München I haben sich jeweils in unanfechtbaren Beschlüssen für örtlich unzuständig erklärt. Das Oberlandesgericht Naumburg ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO zur Entscheidung des Zuständigkeitskonfliktes berufen, weil das zunächst höhere gemeinschaftliche Gericht der Bundesgerichtshof ist und das LG Halle zuerst mit der Sache befasst war.
2. Im Rahmen der Bestimmung des zuständigen Gerichts gemäß § 36 ZPO sind nicht nur die allgemeinen Zuständigkeitsvorschriften, sondern auch die verfahrensrechtlichen Bindungswirkungen, insbesondere § 281 Abs. 2 S. 4 ZPO, zu beachten. Die Bindungswirkung eines Verweisungsbeschlusses wirkt grundsätzlich im Bestimmungsverfahren fort (BGH, NJW-RR 1993, 1091; NJW-RR 1994, 126; NJW-RR 1995, 702; BayObLG, NJW-RR 2001, 646, 647; Senatsbeschluss vom 02.02.2010, MDR 2010, 519; Zöller/Vollkommer, 30. Aufl., § 36 ZPO, Rn. 28 m.w.N.). Von dieser Bindungswirkung ist auch das LG München I in seinem die Übernahme ablehnenden Beschluss vom 07.10.2015 (Az. 40 O 16856/15) ausgegangen, hat aber gemeint, der Verweisungsbeschluss des LG Halle vom 16.09.2015 (Az. 4 O 343/14) entfalte hier ausnahmsweise keine Bindungswirkung, weil das ihm zugrundeliegende Verständnis vom Anwendungsbereich des Gerichtsstandstatbestandes des § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht nur unzutreffend sei und zu einer unrichtigen Rechtsanwendung geführt habe, sondern diese fehlerhafte Rechtsanwendung sich darüber hinaus als objektiv willkürlich darstelle.
Dem kann nicht gefolgt werden.
a) Richtig ist der abstrakte Ausgangspunkt des LG München I: Nach § 281 Abs. 2 S. 2 und 4 ZPO ist der Verweisungsbeschluss unanfechtbar und für das angewiesene Gericht bindend. Das gilt grundsätzlich auch für die fehlerhafte Verweisung. Nach ständiger obergerichtlicher Rechtsprechung ist dem ausnahmsweise nicht so, wenn der Verweisungsbeschluss auf objektiver Willkür beruht und sich als ein rechtsmissbräuchliches Gebrauchmachen von der Verweisungsmöglichkeit darstellt (bspw.: BGH, NJW 2003, 3201 f.). Hierfür reicht es nicht aus, dass der Beschluss inhaltlich falsch ist; eine unrichtige Rechtsanwendung allein schließt die Bindungswirkung der Verweisung also nicht aus (BGH, NJW-RR 1994, 1126; BayObLGZ 1985, 391). Die sprachlichen Wendungen, mit denen versucht wird, den Ausnahmefall zu umschreiben, in dem nicht "nur" eine "einfache" unrichtige Rechtsanwendung vorliegt, sondern sich diese als objektive Willkür darstellt, sind vielfältig - und in der Sache nur bedingt hilfreich. Sie reichen von "rechtsfremde, krasse und offenkundige Fehlbeurteilung" über "offensichtlich rechtsirrig", "nicht mehr verständlich", "fehlt ... jede gesetzliche Grundlage" (für die Nutzung dieser Wendung hat sich vorliegend das LG München I entschieden), "offensichtlich unhaltbar", "schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar", "nicht einmal im Ansatz vertretbar" bis hin zu "greifbar gesetzeswidrig" und "nicht mehr zu rechtfertigen" (wg. der einzelnen Quellen vgl. die Fußnoten 13 bis 20 bei: Tombrink, Was ist "Willkür"? Die "willkürliche" Verweisung des Rechtsstreits an ein anderes Gericht., NJW 2003, 2364, 2365). Ausgehend von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG ist diesen Umschreibungsversuchen gemein, dass es auf ein gewisses Maß an Fehlergravität ("Schwere") und Fehlerrelevanz ("Offensichtlichkeit") ankommt. Bei der Beurteilung, ob dieses Maß derart überschritten ist, dass von einer nicht nur "einfach unrichtigen", sondern von einer willkürlichen Verweisungsentscheidung gesprochen werden kann, sind vor allem zwei Überlegungen leitend: Zum einen ist der Normzweck des § 281 Abs. 2 S. 2 und 4 ZPO zu beachten, der darin besteht, im Interesse der Prozessökonomie einen langwierigen Zuständigkeitsstreit und damit verbundene Verzögerungen zu vermeiden (Musielak/Voit/Foerste, 12. Aufl., § 281 ZPO, Rn. 14). Andererseits ist Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG im Blick zu behalten; der Anspruch auf den gesetzlichen Richter erfordert es, einer evident missbräuchlichen Handhabung der Verweisung nach § 281 ZPO zu begegnen und ihr gleichsam erzieherisch entgegenzuwirken (Musielak/Voit/Foerste, a.a.O.).
b) An diesen Grundsätzen gemessen erweist sich der Verweisungsbeschluss des LG Halle vom 16.09.2015 nicht als objektiv willkürlich und ist damit für das LG München I bindend, was der Senat im Rahmen seiner Entscheidung dieses negativen Kompetenzkonfliktes zu beachten hat.
aa) Das LG Halle hat gemeint: Das LG München I sei nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO ausschließlich örtlich zuständig. Im dortigen Bezirk sei der Sitz der betroffenen Emittentin. Zwar sei die Beklagte als Trauhandkommanditistin und Mittelverwendungskontrolleurin nicht unmittelbar Prospektverantwortliche. Allerdings stütze der Kläger sein Klagebegehren auch darauf, dass die Beklagte als Geschäftsherr ihrer M...