Leitsatz (amtlich)
Meint eine Partei aus Äußerungen des Sachverständigen während seiner Untersuchung auf dessen Befangenheit schließen zu können, so hat sie dies unverzüglich geltend zu machen. Wartet sie ab, ob das Gutachten für sie negativ ausgeht und lehnt dann erst den Sachverständigen als befangen ab, so ist sie mit dieser Begründung ausgeschlossen.
Die Tätigkeit eines Sachverständigen erschöpft sich nicht in der Wiedergabe der Erkenntnisse Dritter aus der Fachliteratur. Seine Aufgabe besteht vielmehr darin, aufgrund besonderer eigener Sachkunde das Gericht darin zu unterstützen, aus einem Sachverhalt zutreffende Rückschlüsse zu ziehen. Das schließt subjektive Wertungen, Schlussfolgerungen und Hypothesen ein.
Verfahrensgang
LG Dessau-Roßlau (Beschluss vom 22.04.2013; Aktenzeichen 4 O 304/12) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Dessau-Roßlau vom 22.4.2013 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf die Gebührenstufe bis 2.500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Klägerin wendet sich mit ihrer sofortigen Beschwerde gegen die Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs, welches sie gegen den gerichtlich bestellten Sachverständi-gen, Herrn Dr. med. L., angebracht hatte.
Die Klägerin nimmt die Beklagte im Ausgangsverfahren vor dem LG wegen eines behaupteten Behandlungsfehlers auf Ersatz ihres immateriellen Schadens in An-spruch. Sie hatte sich auf Anraten ihrer Hausärztin zu einer Thromboseprophylaxe in die Behandlung der Beklagten begeben, nachdem ihr nach einem Sturz anhaltende Schmerzen sowie ein großflächiges Hämatom verblieben waren. Sie wirft der Beklagten vor, keine weiterführende Diagnostik mittels Einsatz eines Magnetresonanz-tomographen (MRT) veranlasst zu haben, weshalb dort ein aus dem Sturz resultierender Sehnenabriss nicht erkannt und deshalb dann auch nicht mehr rechtzeitig behandelt worden sei.
Das LG hat ein schriftliches Sachverständigengutachten des Sachverständigen Dr. med. L. eingeholt. Dessen schriftliches Gutachten vom 16.12.2012 ist dem Klägervertreter mit der Verfügung der Kammervorsitzenden vom 29.1.2013 übersandt worden, wobei ihr eine Stellungnahmefrist von drei Wochen eingeräumt worden war.
Mit Schriftsatz vom 20.2.2013, eingegangen bei dem LG am 21.2.2013, hat die Beklagte ein Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen angebracht, welches sie im Wesentlichen auf dessen Äußerungen im Verlauf der Untersuchung der Klägerin am 11.12.2012 stützt. Sie hat dazu vorgebracht, der Sachverständige habe sich wäh-rend der Untersuchung kritisch mit der Auffassung ihrer Hausärztin auseinandergesetzt, wonach im Klinikum der Beklagten eine umfassendere Befunderhebung geboten gewe-sen sei. Er habe geäußert: "Wenn ich schon lese, man hätte machen müssen, geht mir der Hut hoch". Der Sachverständige komme in seinem Gutachten zu dem Ergebnis, dass er selbst nicht anders gehandelt hätte, als die Ärzte bei der Beklagten dies getan haben, und habe sich während der Untersuchung auch dahin geäußert, dass es zu teuer sei, immer gleich ein MRT anzufertigen. Es stelle sich daher die Frage, ob die Be-gutachtung anhand objektiver Maßstäbe erfolgt sei, ob die Meinung der wissenschaft-lichen Literatur zugrunde gelegt worden sei oder ob es sich um die persönliche Auffassung des Sachverständigen handele.
Die 4. Zivilkammer des LG Dessau-Roßlau hat das Ablehnungsgesuch der Klägerin durch Beschluss vom 22.4.2013 zurückgewiesen. Das Ablehnungsgesuch sei unzulässig, da es nicht fristgerecht angebracht worden sei. Die Ablehnungsgründe seien nicht gem. § 406 Abs. 2 ZPO unverzüglich nach der Untersuchung am 11.12.2012, son-dern erst in Reaktion auf das schriftliche Gutachten vorgebracht worden, obwohl die Klägerin bereits aus der Untersuchungssituation von ihnen Kenntnis gehabt habe. Die ihr zuzubilligende, angemessene Prüfungs- und Überlegungsfrist sei Anfang Januar 2013 abgelaufen.
Das Ablehnungsgesuch sei aber auch unbegründet, denn objektive Gründe, die aus der Sicht der ablehnenden Partei vernünftigerweise geeignet seien, Zweifel an der Unpartei-lichkeit des Sachverständigen zu begründen, lägen nicht vor. Der Sachverständige habe in seiner Stellungnahme vom 12.4.2013 nachvollziehbar dargelegt, dass die Äußerun-gen zur Auffassung der Hausärztin einen sachbezogenen Hintergrund aus der Berufs-ordnung und Berufsehre eines Arztes hätten. Dem Sachverständigen sei es auch nicht verwehrt, die Angaben des zu Untersuchenden kritisch zu hinterfragen und bei seiner Bewertung einen Vergleich mit dem Krankheitsbild und der Behandlung anderer Perso-nen zu ziehen. Zudem habe er sich in seinem schriftlichen Gutachten dezidiert mit der medizinischen Fachliteratur auseinander gesetzt. Die Äußerung, er könne kein schuld-haftes Verhalten der Beklagten erkennen, sei nach einer fundierten Untersuchung der Klägerin erfolgt.
Hiergegen richtet sich die am 3.5.2013 bei dem LG eingegangene sofortige Beschwerde der Klägeri...