Leitsatz (amtlich)

Auch in Arzthaftungsfällen ist im Rahmen eines selbständigen Beweisverfahrens die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen zur Vermeidung eines Rechtsstreits möglich. Dabei ergeben sich die möglichen Gegenstände der sachverständigen Feststellungen aus § 485 Abs. 2 Satz 1 ZPO: Zustand des Antragstellers und seiner ggf. prothetischen Versorgung (Nr. 1), die Ursachen eines insoweit festzustellenden Mangels oder Schadens (Nr. 2) und der Beseitigungsaufwand (Nr. 3). Weitergehende Feststellungen sind nicht Sache des selbständigen Beweisverfahrens, insbesondere nicht die Vorlage von Behandlungsunterlagen.

 

Verfahrensgang

LG Magdeburg (Beschluss vom 30.09.2013; Aktenzeichen 9 OH 55/13)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des LG Magdeburg vom 30.9.2013 wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Gründe

I. Der Antragsgegner ist Zahnarzt und übernahm die komplette prothetische Versorgung von Ober- und Unterkiefer der Antragstellerin. Da die Antragstellerin Probleme mit ihrem Zahnersatz hat, vermutet sie eine fehlerhafte zahnärztliche Behandlung, zumal die Prothese nicht dem Heil- und Kostenplan des Antragsgegners entspräche. Soweit die sachverständig beratene Krankenversicherung von einer ordnungsgemäßen Versorgung der Antragstellerin ausgeht, ist die Patientin anderer Meinung.

Sie betreibt deshalb im selbständigen Beweisverfahren die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen. Mit Beschluss vom 30.9.2013 hat das LG Magdeburg unter Ablehnung weiterer Beweisfragen ohne Beiziehung von Behandlungsunterlagen das Einholen eines Sachverständigengutachtens angeordnet, um zu klären, ob die Antragstellerin entsprechend den Regeln der zahnärztlichen Kunst prothetisch versorgt sei und wenn nein, mit welchem Aufwand dieses Ergebnis erzielt werde.

Gegen diese, ihrem Bevollmächtigten am 14.10.2013 zugestellte Entscheidung wendet sich die Antragstellerin mit der am 23.10.2013 beim LG eingegangenen sofortigen Beschwerde, der die Kammer am 18.11.2013 nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt hat.

II. Die nach § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO statthafte sowie form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde (§ 569 Abs. 1 Sätze 1 und 2, Abs. 2 ZPO) hat in der Sache keinen Erfolg. Die Beweisanordnung des LG entspricht den gesetzlichen Vorgaben. Mehr kann in dem von der Antragstellerin eingeleiteten Verfahren nicht festgestellt werden (§§ 490 Abs. 2 Satz 1, 485 Abs. 2 Satz 1, 487 Nrn. 2 u. 3 ZPO).

Der Antrag ist nach § 485 Abs. 2 ZPO zulässig. Für die Besorgnis des Verlustes oder der erschwerten Benutzung eines Beweismittels ist nichts glaubhaft gemacht (§§ 485 Abs. 1, 487 Nr. 4 ZPO). Auch in Arzthaftpflichtfällen ist die schriftliche Begutachtung durch einen Sachverständigen zur Vermeidung eines Rechtsstreits möglich (BGH, Beschl. v. 24.9.2013 - VI ZB 12/13 - BeckRS 2013, 17808; NJW 2003, 1741, 1742; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 11.1.2010 - 1 W 71/09 - BeckRS 2010, 02649; OLG Koblenz NJOZ 2002, 561, 562; OLG Naumburg, Beschl. v. 9.2.2001 - 1 W 25/00 - zitiert in juris; OLG Stuttgart NJW 1999, 874, 875; Zöller/Herget, ZPO, 30. Aufl., § 485 Rz. 9). Es lässt sich feststellen, ob ein Behandlungsfehler vorliegt, insbesondere ob eine fehlerhafte prothetische Versorgung auf eine standardwidrige Behandlung zurückzuführen ist (BGH, a.a.O.; OLG Köln VersR 2003, 375; OLG Karlsruhe VersR 2003, 374; Leipold in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 485 Rz. 24).

Die ausschließlich möglichen Gegenstände der sachverständigen Feststellungen ergeben sich aus § 485 Abs. 2 Satz 1 ZPO (Zöller/Herget, § 485 Rz. 9). Beweis lässt sich über den Zustand der Antragstellerin und ihrer prothetischen Versorgung (Nr. 1), die Ursachen eines insoweit festzustellenden Mangels oder Schadens (Nr. 2) und den Beseitigungsaufwand (Nr. 3) erheben (Martis/Winkhart, Arzthaftungsrecht, 3. Aufl., Rz. B523; Wenzel, Der Arzthaftungsprozess, Kap. 2 Rz. 3528, 3537). Das hat das LG zutreffend gesehen und dementsprechend die dahingehenden Beweisfragen nach § 490 Abs. 2 Satz 1 ZPO formuliert. Ob die Fragen 6, 9 und 10 der Antragsschrift deshalb unberücksichtigt bleiben durften, weil sie auf eine Ausforschung gerichtet sind, wie das LG im Nichtabhilfe- und Vorlagebeschluss vertreten hat (vgl. hierzu bspw. OLG Oldenburg r + s 2008, 492; KG NJW-RR 20000, 468, 469; OLG Jena OLG-NL 1998, 118, 119; OLG Frankfurt NJW-RR 1995, 831), kann offen bleiben. Zumindest betreffen sie mit dem Heil- und Kostenplan, dem Verlauf des tatsächlichen Behandlungsgeschehens und dessen Vergleich mit der vom Antragsgegner der Krankenversicherung gegenüber abgegebenen Schilderung seiner Tätigkeit Gegen-stände, die im selbständigen Beweisverfahren keiner Begutachtung durch einen Sachverständigen zugänglich sind (OLG Köln, Beschl. v. 23.4.2004 - 5 W 51/04 - zitiert in juris).

Das LG hat es im Übrigen auch zutreffend abgelehnt, sich die Behandlungsunterlagen vorlegen zu lassen. Eine derartige Anordnung entbehrt im selbständigen Beweisverfahren...

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